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Vor zehn Jahren: Als Papst Benedikt XVI. Thüringen besuchte

Alexander Hein ist diplomierter Theologe. Der Erfurter hat im Jahr 2011 das Jahrtausendevent des Besuchs von Papst Benedikt XVI. in der Thüringer Landeshauptstadt als gläubiger Christ, als Fotograf und als Helfer live miterlebt. Zum Staatsbesuch des Oberhauptes der Katholischen Kirche in Deutschland gehörten vom 22. bis 25. September 2011 auch zwei Stationen in Thüringen, Erfurt und das Eichsfeld. Welche Erinnerungen und welcher Nachhall sind nach zehn Jahren in Erfurt geblieben? Würdigung und Rückblick.

Die Nachricht, dass ein Papst nach Ostdeutschland ins kirchlich kaum bedeutsame Bistum Erfurt, kommen würde, war sehr erfreulich und eine Überraschung für alle hier in der Diaspora lebenden Christen.

Die Reise des deutschen Pontifex Maximus stand unter dem Leitwort „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. In der Regel sind Papstreisen immer mit einem großen Aufwand verbunden – besonders für das jeweilige Bistum und die Behörden vor Ort. Im Vordergrund stand jedoch der spirituelle Impuls. Beide Seiten durfte ich in Erfurt vor zehn Jahren erleben.

Die Vorbereitungen der Erfurter Verwaltung liefen beinahe übervorsichtig, immerhin musste die Sicherheit des Papstes selbst und alle Gläubigen gewährleistet werden. Gullideckel wurden versiegelt und die Innenstadt förmlich abgeriegelt. Das wurde leider so auch von den Medien transportiert, sodass sich niemand auf die Straße traute. Ein Fest des Glaubens ließ sich in den Tagen vor dem Besuch kaum erahnen: Totenstille, nur wenige Menschen, die das Kirchenoberhaupt begrüßten. Man mag das den Organisatoren der Stadtverwaltung anlasten, jedoch tat dies der Sache letztlich kaum einen Abbruch.

Eine der Stationen des Papstes innerhalb Erfurts war das Evangelische Augustinerkloster, in dem Martin Luther einst als Mönch lebte. Der symbolträchtige Besuch gilt als Zeichen der Ökumene und als Zeichen der Einheit und Versöhnung aller Christen. Dem Theologen Josef Ratzinger darf man diese Geste hoch anrechnen.

Der Höhepunkt des Besuchs in Erfurt war die Feier der Heiligen Messe auf dem Erfurter Domplatz mit tausenden Gläubigen. Wer schon einmal an einem Weltjugendtag der Katholischen Kirche oder einem Empfang auf dem Petersplatz in Rom teilgenommen hat, kann in etwa erahnen, welche Stimmung hier herrschte.

Erfurt war an jenem Tag wie verwandelt. Frühmorgens trafen sich Helfer und Ordner noch im Dunkeln, damit alles reibungslos verlief. Auf dem Domplatz vor der berühmten Silhouette des Doms und der Severikirche wurde ein großer einladender Altarbereich aufgebaut. Die aufgehende Sonne setzte die Szenerie damals in ein besonderes Licht. Der Domplatz füllte sich allmählich und alle warteten auf die Ankunft des Papstes.

Es herrschte Heiterkeit, gute Laune, bekannte Gesichter überall und viele Gespräche über den Glauben und die Kirche. Schließlich erfüllte der Klang der berühmten Gloriosa, der größten freischwingenden mittelalterlichen Glocke, die nur zu besonderen Anlässen geläutet wird, den Domplatz und die ganze Stadt. Bis auf den Glockenklang herrschte Stille und Raunen. Benedetto-Rufe wurden laut, als das Papa-Mobil  langsam aus Richtung Petersberg an den Menschen vorbei zum Altarbereich fuhr, um dort gemeinsam mit den versammelten Bischöfen und den Menschen auf dem Domplatz die Messe zu feiern. Einen Papst aus solcher Nähe zu sehen, erlebt man nicht alle Tage – erst recht nicht in der eigenen Stadt. Dieses Gefühl, diese Eindrücke und diese Erinnerung bleiben für mich persönlich ein Leben lang.

Was ist jedoch davon geblieben? Das Bewusstsein und die Toleranz für religiöse Belange ist in Thüringen leider nicht sehr stark ausgeprägt.

Der Besuch des Papstes in Thüringen stellt eigentlich einen historischen Moment dar, dessen man sich bereits im Vorfeld nicht unmittelbar bewusst war – so wirkte es jedenfalls. Der eine oder andere mag auf Grund antikirchlicher Ressentiments zudem sicherlich nicht über dieses Ereignis erfreut gewesen sein, dennoch war es eine Begegnung mit und für alle Menschen und damit für den Osten Deutschlands von hoher Bedeutung. Dieser Teil Deutschlands musste im vergangenen Jahrhundert zwei Diktaturen über sich ergehen lassen, in denen gläubige Menschen mit erheblichen Repressalien bis hin zum Tod rechnen mussten.

Sowas ist mir glücklicherweise erspart geblieben, auch wenn ich in einer dieser Diktatur geboren wurde. Das Gut der freien Glaubensausübung sollte in unserer Gesellschaft deshalb viel stärker gewürdigt und erhalten bleiben. Dieses Anliegen habe ich aus dem Besuch des Papstes im Jahr 2011 für mich mitgenommen. In Erfurt erinnert indes nur noch wenig an dieses Jahrtausendereignis. Einzig wurde im Erfurter Dom eine Steinplatte mit dem Wappen Benedikts eingelassen.

Die Stadt Erfurt selbst würdigt ihren weltbekannten Besucher öffentlich leider gar nicht. Mit einer Benedikt-XVI.-Straße ist in Erfurt vermutlich weniger zu rechnen. Und auch die Erinnerungskultur an dieses historische Ereignis kommt in den meisten regionalen Medien viel zu kurz, denn inzwischen sind es genau zehn Jahre – einige Tage, an die ich mich gern zurückerinnere.




Baustart für Glasfasernetz im Ilm-Kreis

ILMENAU – Im Ilm-Kreis wird der Ausbau des Glasfasernetzes weiter vorangetrieben. Vor dem Goethe-Gymnasium Ilmenau setzte am Vormittag Landrätin Petra Enders (parteilos) zusammen mit Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und der Geschäftsführung der Thüringer Netkom GmbH den symbolischen ersten Spatenstich für das Glasfaserprojekt.

Bis Ende 2023 sollen im Zuge dieses geförderten Ausbaus u.a. 41 Schulen, 194 Wirtschaftsunternehmen und fast 1.000 Haushalte direkt mit Glasfaserverbindungen erschlossen werden. Rund 17 Millionen Euro werden dafür investiert – die Investitionssumme kommt dabei zu fast gleichen Teilen aus Förderungen des Bundes und des Landes Thüringen, die Eigenmittel des Landkreises belaufen sich auf knapp 112.000 Euro.




Zurück in die Zukunft: Land gibt eine Million für Lastenfahrräder aus

ERFURT – Das Land Thüringen hat für Lastenräder in Privathaushalten und Unternehmen rund eine Million Euro ausgegeben. Das teilte das Umweltministerium mit. Demnach floss das Geld in den vergangenen 14 Monaten den Käufern von 640 Lastenrädern zu. In über 500 Fällen wurden elektrisch angetriebene Lasten-Pedelecs angeschafft. Die meisten geförderten Fahrzeuge sind mit 123 Exemplaren in Erfurt unterwegs, gefolgt von Weimar mit 100 und Jena mit 98 Lastenrädern.

Geld gab es nach Ministeriumsangaben auch für Fahrrad-Anhänger und Unterstell-Möglichkeiten. Die Nachfrage habe die Erwartungen deutlich übertroffen. Dem Ministerium zufolge gibt es für die private Anschaffung von Lastenfahrrädern über die Thüringer Aufbaubank weiterhin Fördermöglichkeiten. Gewerbetreibende und Verbände könnten Zuschüsse beim Bund beantragen.

Mit dem Förderprogramm „Cargobike-Invest“ will das Umweltministerium die Thüringer zum Kauf von Lastenrädern als klimafreundliche Alternative zum Auto animieren. Bis zu 3.000 Euro pro Rad sind je nach Ausführung maximal möglich.




Mit diesem Team will Ute Bergner (BfTh) mit den Thüringern intensiv ins Gespräch kommen

ERFURT – Die Landtagsabgeordnete Ute Bergner aus Jena ist in Thüringen durch einen ganz neuen basisorientierten Politikansatz  bekannt geworden. Die Unternehmerin, die gerade ihre frühere FDP-Fraktion verlassen hat, organisiert etwas, was es vorher im Freistaat und wohl auch in anderen Bundesländern nicht gegeben hat: eine Fraktion außerhalb des Landtags mit direkten Ansprechpartnern für die Bürger, die sich in die aktive Politik mit Anregungen und neuen, frischen Ideen einbringen wollen. Und die vom althergebrachten Politbetrieb nicht mehr erreicht werde.

Frau Bergner, Sie sind nun raus aus Ihrer früheren FDP-Fraktion und freischaffende Künstlerin im Landtag für die „Bürger für Thüringen“. Können Sie da überhaupt noch was bewegen?

Das werde ich austesten, was ich bewegen kann. Es heißt ja, dass ein fraktionsloser Abgeordneter ein zahnloser Tiger sein soll. Ich sehe das nicht so. Ich habe zum Beispiel zu jedem Thema fünf Minuten Rederecht im Parlament – das werde ich vielleicht allein nicht ganz schaffen dort, aber jede Gelegenheit nutzen, um die Anliegen der Thüringerinnen und Thüringen im Parlament zur Sprache zu bringen.

Sie sagen es selbst: wie wollen Sie das allein schaffen?

Mit der Unterstützung meiner ehrenamtlichen Fraktion im Hintergrund.

Ich starte jetzt auch mein erstes Volksbegehren – zur Änderung des Wahlgesetzes. Mal sehen, ob ich auch das Parlament begeistern kann, das Anliegen schlanker umzusetzen als mit einem Volksbegehren. Ein zweites Volksbegehren ist in Arbeit.

 Ich werde auf alle Fraktionsvorsitzenden zugehen und mit ihnen prüfen, wo es Gemeinsamkeiten in inhaltlichen Fragen gibt. Danach werde ich weiter sehen.

Sie haben das Konzept einer „ehrenamtlichen Fraktion“ aus ganz unterschiedlichen Bürgern entwickelt. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Da ich nicht in allen Themen des Landtages Expertin bin, brauche ich professionelle Unterstützung. Das können wir über „Bürger für Thüringen“ im ganzen Land gut organisieren. Wir wollen die Stimme des Bürgers im Parlament sein und eröffnen damit eine neue Plattform, auch für Bürgerbewegungen.

Ursprünglich sind Sie davon ausgegangen, dass bald  ein neuer Landtag in Thüringen gewählt wird. Aber es hat den Anschein, dass irgendwie kaum einer so recht Interesse daran hat, oder?

Es gab ein Versprechen von Rot-Rot-Grün und CDU an die Bürger in Thüringen, dass es spätestens Ende September Neuwahlen gibt. Das passiert nun nicht, weil nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten bereit waren, einen Antrag auf Auflösung des Parlaments zu stellen. Ich selbst habe immer die Wahrscheinlichkeit bei 50/50 gesehen, ob dieses Versprechen umgesetzt wird. Jetzt ist es halt nicht so, die Situation ist wie sie ist – ich habe gelernt, aus Situationen etwas zu machen. Und das werde ich tun.

Mit der Gründung der „Bürger für Thüringen“ hat sich Ihre Partei, haben aber auch Sie persönlich sich bisher stark in das Corona-Thema und die Aufforderung der Regierenden eingemischt, unsere Gesellschaft durch zu impfen und so eine Herdenimmunität zu erreichen. Ist aus dem Thema nicht langsam die Luft raus, wo die Leute wieder Urlaub machen und im Biergarten sitzen können?

Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema Corona auseinandergesetzt. Unter dem Coaching von Medizinprofis habe ich versucht, die Wechselwirkung des Virus mit unserem Körper zu verstehen, um gute Entscheidungen in der Politik mit zu treffen. So ist aus rein wissenschaftlicher und analytischer Sicht vieles für mich nicht nachzuvollziehen, wie in Deutschland gehandelt wird. Rückblickend kann ich die Fehler aus meiner Perspektive wie folgt zusammenfassen:

 Es wurde keine Prophylaxe betrieben um unser Immunsystem zu stärken, stattdessen wurden Maßnahmen angeordnet, die unser Immunsystem schwächen.

 Wer Symptome hatte und positiv getestet war, wurde zu Hause eingesperrt, und in vielen Fällen allein gelassen. Es gab keine Unterstützung im Frühstadium zu Heilung. Nach dem Motto: Entweder wirst Du von allein gesund, oder Du musst auf die Intensivstation.

 Die Panikmache mit Long Covid empfinde ich als unehrlich, denn diese Symptome gab es schon vorher. Wenn ich mich mit Medizinern und Fachleuten unterhalte, lerne ich, dass es auch hier schon Lösungen gibt, die man offensichtlich nicht nutzen will.

Bürgerrechte, Freiheit, gegen Impfzwang, gesund leben – das waren bisher Ihre Schwerpunktthemen. Frau Bergner. Was sagen Sie den Bürgern, die nun fragen, wie es wirtschaftlich weitergehen soll nach den harten Lockdowns. Wer hilft den kleinen Betrieben und der Gastronomie wieder auf die Beine? Können unsere  Kinder aufholen, was sie in der Schule verpasst haben?

Bürgerrechte sind ein ganz wichtiges Thema, da dürfen wir Bürger uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen! Leider begreifen viele Menschen noch nicht, wie wichtig der Kampf für ihre  Bürgerrechte und für unsere ganze Gesellschaft ist.

 Freiheit ist für uns ein ganz komplexes Thema. Und es ist ein großes Wort. Ich denke, wir sollten in unserem Umfeld anfangen, selbstbestimmt leben und selbst Verantwortung für unser Leben und unsere Familien übernehmen.

Aber noch einmal: Kaum eine Berufsgruppe hat unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie die vielen kleinen Betriebe und die Gastronomen auch hier in Thüringen. Muss der Staat jetzt Geld verteilen, um das alles zu retten?

Nein, im Gegenteil. Der Staat muss nicht Geld nachdrucken, sondern den vielen Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Und die Wirte haben allen Grund, selbstbewusst aufzutreten nach all dem, was ihnen in den vergangenen eineinhalb Jahren vom Staat zugemutet wurde

Und die Schüler, unsere Kinder?

Was man mit den Kindern gemacht hat, ist für mich das größte Verbrechen überhaupt. Man hat Kindern Bildungschancen geraubt. Wenn es wirklich wahr ist, dass die Abschlussprüfungen bei keinen Qualitätsabstrichen dieses Jahr besser ausgefallen sind als vorher, sollte man sich Gedanken machen, wie schlecht das Vor-Corona-Schulsystem war. Was ganz schlimm ist, sind die psychischen Schäden, die viele Kinder davon getragen haben.

 




Laschet verteidigt Thüringer CDU-Fraktion

Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, hat nach der Abstimmung des Misstrauensvotums im Thüringer Landtag Partei für die Thüringer CDU-Fraktion ergriffen.

Der Thüringer Fraktionsvorsitzende habe «eine knallharte Rede der Abgrenzung gegen die AfD gehalten», sagte der CDU-Chef im Sommerinterview des ZDF. «Das Signal von Mario Voigt war glasklar: Mit denen reden wir nicht, mit denen kooperieren wir nicht, mit denen verhandeln wir nicht – wir gehen nicht mal auf deren Spiele im Landtag ein.»

Das Landesparlament entschied am Freitag über ein Misstrauensvotum, das die AfD-Fraktion gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) anstrengte. Die Fraktionen von Linke, SPD, Grüne und FDP stimmten geschlossen mit Nein. Die CDU-Abgeordneten blieben wie angekündigt auf ihren Plätzen sitzen und stimmten nicht mit ab – was ihnen bereits im Vorfeld viel Kritik eingebracht hatte.

«Ich bedaure sehr, dass Rot-Rot-Grün das Versprechen nicht eingehalten hat, dass wir zu Neuwahlen kommen. Das wäre in Thüringen der beste Weg gewesen», sagte Laschet. Mit dem Misstrauensvotum habe der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke jedoch die parlamentarische Demokratie vorführen wollen. Als Fraktion zu sagen «Wir machen euer Spiel hier im Landtag nicht mit», sei legitim. Laschet habe dennoch Respekt, «wenn andere sagen, wir machen das mit einer Nein-Stimme».

Auf die Frage, ob er sich wünsche, dass der CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen nicht gewählt worden sei, sagte Laschet: «Unser Recht sieht es so vor, dass im Wahlkreis selbst entschieden wird, wer der Kandidat ist. Und ich finde, das muss man respektieren, auch wenn man viele Positionen nicht teilt.»

Notizblock




Alle starren gebannt darauf, was die AfD macht – um dann unbedingt dagegen zu sein

von SIMONE ROTHE

ERFURT – «Was macht die AfD? Was den größtmöglichen Schaden anrichtet» – ist fast schon ein geflügeltes Wort im Thüringer Landtag.

An diesem Freitag ist es wieder so weit: Das Dauerduell von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke (49) gegen den Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (65) geht in die nächste Runde. Höcke tritt – anders als bei der Ministerpräsidentenwahl im März 2020 – nicht direkt gegen seinen Lieblingsgegner an. Er nutzt einen Passus in der Verfassung – das konstruktive Misstrauensvotum.

Damit «wollen wir die formalen Voraussetzungen dafür schaffen, die gescheiterte Minderheitskoalition von Bodo Ramelow zu beenden», formuliert die AfD-Fraktion als Ziel ihrer Aktion. «Der Parlamentarismus lebt davon, dass die Opposition regieren will», meint Höcke. Ramelow samt seiner rot-rot-grünen Regierung wäre gestürzt, sollte Höcke mit mindestens 46 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Warum das Spektakel bei geringer Aussicht auf Erfolg?

Höckes Chancen? Sie gehen gegen Null – weil außer der AfD keine andere Fraktion zustimmen will. Warum dann das Spektakel, genau eine Woche nachdem in Thüringen die eigentlich für September geplante Landtagswahl abgeblasen wurde?

«Die AfD benutzt den Landtag. Es geht ihr um Tabubruch, um größtmögliche Verunsicherung und darum, Thüringen und die parlamentarische Demokratie lächerlich zu machen. Eine andere Rolle der AfD kann ich nicht erkennen», sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich.

Seit der Landtagswahl 2019 stellt die AfD die zweitstärkste Fraktion mit 22 von 90 Abgeordneten. Immer wieder beeinflusst die vom Thüringer Verfassungsschutz wegen rechtsextremer Tendenzen beobachtete Partei Landtagsentscheidungen weit stärker, als es ihre faktische Stärke zulassen würde. Höcke, der als Fraktionschef Regie führt, gilt als Mitgründer des inzwischen formal aufgelösten und vom Bundesamt vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften «Flügels» der AfD – er ist damit für keine andere Fraktion akzeptabel bei der Mehrheitsfindung.

Politikwissenschaftler wie der Erfurter André Brodocz und der Jenaer Torsten Oppelland sehen den Landtag in einem Dilemma angesichts der schwierigen Verhältnisse: Ramelows Koalition aus Linke, SPD und Grünen, der vier Stimmen fehlen, und die beiden Oppositionsfraktionen CDU und FDP haben es mit einer großen AfD-Fraktion zu tun – die damit indirekt viel Einfluss hat. «Die einzigen, die derzeit eine Mehrheit bilden könnten, sind Parteien – Linke und CDU oder gar AfD – die nicht kompatibel sind», beschreibt Oppelland die Lage. Die AfD habe auch Macht, «weil die anderen Fraktionen ihr Handeln von ihr abhängig machen», sagt Brodocz.

Im Juli versetzte die Höcke-Fraktion den Landtag in Erfurt regelrecht in Dauerstress. Im ersten Akt ging es um den Vorsitz in Untersuchungsausschüssen. Die AfD wollte einen zu Treuhand-Entscheidungen in den 1990er Jahren, die CDU einen, der aktuelle Fälle politisch motivierter Gewalt untersucht.

Die AfD zog ihren Antrag zurück – und hatte damit plötzlich als zweitstärkste Fraktion Anspruch auf den Vorsitz ausgerechnet in einem Ausschuss, der sich mit extremistischen Tendenzen befassen soll. CDU-Fraktionschef Mario Voigt warf der AfD Tricksereien vor und reagierte mit einem taktischen Manöver: Die CDU beantragte einen Treuhandausschuss, den sie eigentlich gar nicht wollte. Mit den Folgen musste sich der Landtag am Donnerstag befassen.

Der zweite Akt: Bei der geplatzten Landtagsauflösung vor einer Woche spielte die Angst, AfD-Stimmen könnten letztlich den Ausschlag geben, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Das Parlament könne nicht mit einer Partei aufgelöst werden, «der die parlamentarische Demokratie verhasst ist», begründete der Fraktionsvorsitzende der Linken, Steffen Dittes, den Rückzieher.

Der dritte Akt folgt an diesem Freitag und sorgt bereits für umstrittene Reaktionen: Die CDU-Faktion entschied sich, beim Misstrauensvotum gegen Ramelow passiv zu bleiben und die Stimmabgabe zu verweigern.

FDP-Fraktion will «Höcke definitiv nicht wählen»

«Mit seiner Kandidatur versucht Björn Höcke einmal mehr, dieses Parlament verächtlich zu machen. Deshalb werden wir uns auf die durchschaubaren Spiele der AfD nicht einlassen», so ihr Fraktionsvorsitzender Voigt. «Das demokratische Signal wird dadurch schwächer», befürchtet SPD-Chef Georg Maier. Einige bei Rot-Rot-Grün glauben, Voigt wolle nicht riskieren, dass bei mehr als 22 Stimmen für Höcke in der geheimen Abstimmung die Stimmen bei der CDU verortet werden könnten. Im Gegensatz zur CDU will sich die FDP an der Abstimmung beteiligen. «Wir werden Herrn Höcke definitiv nicht wählen», kündigte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich an.

Und was sagt der, um den es bei dem Misstrauensantrag, den Paragraf 73 der Verfassung vorsieht, eigentlich geht? Ramelow gibt sich staatsmännisch: «Es steht der Opposition zu – und in diesem Fall auch der AfD – einen Antrag nach Artikel 73 zu stellen.» Er gehe davon aus, dass das Parlament souverän damit umgehen werde, so Ramelow.




Ute Bergner verlässt die FDP-Landtagsfraktion und tritt den „Bürgern für Thüringen“ bei

GROßLÖBICHAU – Beim Landesparteitag der neuen Partei „Bürger für Thüringen“ (BfTh) in Großlöbichau (Saale-Holzland-Kreis)  hat die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner (Jena) am Abend ihren Austritt aus der FDP-Landtagsfraktion bekanntgegeben. Kurz davor hatte die Politikerin, die vorher bereits die Partei FDP verlassen hatte, ihren Aufnahmeantrag für die neue bürgerliche Kraft unterschrieben.

Der Schritt der Unternehmerin dürfte ihre bisherige Partei in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Die FDP-Fraktion benötigt fünf Mitglieder, um ihren Fraktionsstatus zu erhalten, der ihnen alle parlamentarischen Rechte und erhebliche Geldmittel für die politische Arbeit und das Personal garantiert. Ob das weiterfließt, ist höchst fraglich.

Bergner und die „Bürger für Thüringen“ werden zur nächsten Landtagswahl im Freistaat antreten – wann immer die auch stattfindet. Unter Beifall sagte sie, sie habe die  Diskussion der vergangenen Wochen über die Auflösung des Landtages als „unwürdig“ empfunden und wörtlich:  «Als hätten wir keine anderen Probleme in Thüringen.» Die Politikerin fasste zusammen: „Das Thüringer Parlament löst sich nicht auf und die versprochenen Neuwahlen finden nicht statt, obwohl 67 Prozent der Thüringer nach einer MDR-Umfrage dafür sind.“

Mit Bergners neuer Partei, in der sich schon jetzt Bürger aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen sammeln, versucht sie, frischen Wind in das festgefahrene Landesparlament zu bringen, die politische Arbeit transparenter für die Bürger zu machen und die starren Fraktionsgrenzen durch Einbeziehung unabhängiger Köpfe aufzubrechen.

Berger sitzt nun als Einzelabgeordnete im Parlament, hat Rederecht zu jedem Thema und – so hört man – hat auch vor, diese Möglichkeit intensiv zu nutzen, um ihre Standpunkte der Öffentlichkeit darzulegen. Dazu hat sie sich ein Dutzend ehrenamtlicher Mitstreiter zusammengestellt, die ihr nicht nur zuarbeiten, sondern auch als Ansprechpartner für die Bürger (Erstkontakt über die Homepage) zur Verfügung stehen. Bergner nannte ihr Team in ihrer Rede „eine ehrenamtliche Fraktion, die mich in meiner Arbeit unterstützt.“




Die AfD bringt ein Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow ein

Die AfD will Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und dessen rot-rot-grüne Minderheitsregierung über ein Misstrauensvotum stürzen.Als Reaktion auf die geplatzte Neuwahl des Landtags reichte die AfD-Fraktion nach eigenen Angaben am Montag den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum ein. Gegen Ramelow (65) will Fraktionschef Björn Höcke für das Amt des Ministerpräsidenten antreten. Der 49-Jährige wurde vom Verfassungsschutz als Vertreter des aufgelösten rechtsextremen Flügels der AfD eingestuft.

Die Wahlaussichten von Höcke sind gering – die Oppositionsfraktionen CDU und FDP machten deutlich, dass sie den AfD-Rechtsaußen nicht wählen werden. «Wir werden uns auf die durchschaubaren Spiele der AfD nicht einlassen», erklärte die CDU. Thüringen brauche kein «fadenscheiniges Polit-Theater, das sich als konstruktives Misstrauensvotum tarnt», erklärte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich. Dafür stände die FDP nicht zur Verfügung. Die AfD stellt die zweitgrößte Fraktion im Landtag. Sie verfügt aber nur über 22 der 90 Stimmen im Parlament in Erfurt.

Der thüringischen Verfassung zufolge kann der Landtag in Erfurt dem Ministerpräsidenten «das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt». «Den Antrag kann ein Fünftel der Abgeordneten oder eine Fraktion einbringen», heißt es in Paragraf 73. Zwischen Antrag und Wahl müssen mindestens drei und dürfen höchstens zehn Tage liegen. Die Abstimmung ist geheim. Offen ist, ob es bereits in der Landtagssitzung in dieser Woche dazu kommt.

Ramelow ist bundesweit der einzige Ministerpräsident, der der Linken angehört. Derzeit führt er eine rot-rot-grüne Minderheitskoalition, der vier Stimmen im Landtag für eine eigene Mehrheit fehlen. Sie war bisher auf Stimmen der CDU-Fraktion angewiesen. Der so genannte Stabilitätspakt zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU soll mit der parlamentarischen Sommerpause auslaufen.

Die CDU-Fraktion erläuterte: «Es ist offensichtlich, dass der Landtag niemanden wie Björn Höcke zum Ministerpräsidenten wählt, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Beobachtungsfall geführt wird.» Der Versuch der AfD, das Parlament erneut vorzuführen, resultiere daraus, dass die Linke «die Abstimmung über die Auflösung des Thüringer Landtags vereitelt hat», so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, schrieb auf Twitter: «Faschist #Höcke im Größenwahn. Jetzt will er #MP werden. Da gibt es nur eins: Sag Nein.» Sie nannte den AfD-Antrag eine Provokation. Höcke war gegen Ramelow bereits bei der Ministerpräsidentenwahl im März 2020 angetreten, hatte dann aber im dritten Wahlgang zurückgezogen.

Die AfD-Fraktion nannte hingegen als Ziel: «Mit dem von uns beantragten konstruktiven Misstrauensvotum wollen wir die formalen Voraussetzungen dafür schaffen, die gescheiterte Minderheitskoalition von Bodo Ramelow zu beenden.» Sie sei für Kandidaten auch anderer Fraktionen offen, «die einen Neustart in Thüringen ermöglichen».

Linke und Grüne hatten am Freitag die zusammen mit SPD und CDU beantragte Landtagsauflösung abgesagt, weil die von der Verfassung vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit jenseits von AfD-Stimmen unsicher war. Nach dem Debakel bei der Wahl von Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich im vergangenen Jahr dürfte nicht riskiert werden, dass AfD-Stimmen den Ausschlag auch bei einer vorgezogenen Neuwahl des Parlaments geben könnten.

Damit platzte auch die Landtagswahl, die zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September geplant war. Sie sollte für klare Mehrheiten in Erfurt sorgen.




Picknick-Konzert an der Severikirche: „Nach so vielen Monaten ohne Publikum würden wir alles spielen“

ERFURT – Am Sonntag zog das 30-Mann starke Thüringer Polizeiorchester unter Leistung von Christian Beyer auf der Wiese neben der Erfurter Severikirche sprichwörtlich alle Register und bot dem Publikum von rund 180 Gästen im Rahmen eines Picknick-Konzerts zwei Stunden lang eine große Bandbreite musikalischer Werke.

 

Das Spektrum reichte von Polka, über Bizets „Carmen“, Verdis “ Schlacht von Legnano“, Filmmusik von Police Acadamey und Avengers Endgame bis hin zu Glen Millers Swing der 40er Jahre, Ausschnitten aus dem Musical „West Side Story“ und einem Madley aus Liedern der Neuen Deutschen Welle. Organisiert wurde das Konzert vom Freundeskreis des Polizeiorchesters Thüringen e.V.

 

„Nach so vielen Monaten ohne Publikum würden wir alles spielen“, unterstrich Steffen Wolf begeistert, der das Konzert moderierte. Eines der Werke pries Wolf dennoch besonders an: In den vergangenen Monaten des Lockdowns konnte das Orchester, wie viele Künstler, nicht auftreten. „Was macht also ein Orchester, das nicht spielen darf?“, fragte Wolf. Die auftrittsfreie Zeit haben die Musiker des Orchesters für Recherchen im Archiv genutzt und sind dabei in Rudolstadt auf eine alte und längst vergessene Notenhandschrift gestoßen. Die „Eichhörnchen-Polka“ von Josef Gungl wurde wahrscheinlich zuletzt vor 150 Jahren aufgeführt. Das lebhaft-verspielte Werk wurde notentechnisch auf Hochglanz poliert und zu einer erneuten „Uraufführung“ am Sonntag auf dem Erfurter Domberg gebracht.

Bei herrlichem Sonnenschein wurde der Auftritt ein voller Erfolg. Das Publikum zeigte sich begeistert. Nach anhaltendem Applaus und Standing-Ovations gab es eine entsprechend leidenschaftliche Zugabe. Wolf richtete seinen abschließenden Dank nicht nur an das Publikum, sondern auch an die katholische Innenstadtgemeinde für die Bereitstellung des Veranstaltungsortes, an die Agentur Samt&Seidel für die mediale Unterstützung und an die Erfurter Bäckerei Roth für die Versorgung der Gäste mit Kaffee, Waffeln und selbstgemachten Eissorten.

 

 

Das Polizeiorchester Thüringen gehört mit seiner über 70-jährigen Geschichte zu den ältesten Polizeiorchestern Deutschlands und besteht derzeit aus eine festen Besetzung von rund 30 Musikern. In der Regel spielt das Orchester zu offiziellen Anlässen der Landesregierung, genauso auch im Rahmen öffentlicher Konzerte.

 




Richtfest für neues Légère-Hotel an der Messe Erfurt

ERFURT – Mit einer Investition von mehr als 16 Millionen Euro entstehen direkt auf dem Messegelände 150 moderne Gästezimmer in drei unterschiedlichen Kategorien und zusätzliche Konferenzräume. Das Land unterstützt das Vorhaben mit 3,3 Millionen Euro aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Die Eröffnung des Hotels ist für April 2022 geplant.

„Das Projekt nimmt jetzt endlich sichtbar Gestalt an“, sagte Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Investors Fibona GmbH, Sven Köllmann, Messe-Chef Michael Kynast und dem Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein am Richtfest teilnahm. Das neue Hotel direkt auf dem Messegelände, das künftig unter der Fibona-Marke „Légère Hotels“ firmiere, werde künftig eine große Lücke im Vermarktungsangebot der Landeshauptstadt Erfurt schließen. Tiefensee weiter: „Großer Dank an Fibona, die das Vorhaben trotz der zwischenzeitlich schwierigen Corona-Bedingungen zum Erfolg führen wird.“ Die zu erwartenden Synergien zwischen Messehotel und der Messe Erfurt GmbH würden in erheblichem Maße zur Stärkung des Tagungs- und Kongressstandortes Thüringen beitragen.

Der insgesamt siebengeschossige Hotelbau entsteht unmittelbar neben dem CongressCenter der Messe Erfurt. Durch die direkte Anbindung ergeben sich neue Möglichkeiten zur Vermarktung der Messe Erfurt im Veranstaltungs-, Tagungs- und Kongressgeschäft. Äußerlich passt sich das neue Hotel in Form, Farbe und Materialität gut in die Messearchitektur ein. Die Architekturlinien des CongressCenters werden durch das Hotel weitergeführt und ergänzt. Der Eingang zum Hotel orientiert sich zur Gothaer Straße und wird damit den Besucherzugang zum Messehaupteingang nicht beeinflussen. Die vorhandene Taxivorfahrt dient zukünftig in etwas veränderter Form als Vorfahrt für das Hotel. Im zukünftigen Hotel ist zudem ein Konferenzbereich für bis zu 250 Personen mit direktem Anschluss zum CongressCenter geplant.