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Ute Bergner aus Jena: Eine Politikerin, die Demokratie ganz neu denkt

JENA – Die fraktionslose Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner aus Jena hat in der vergangenen Woche auf der Frankfurter Buchmesse ein ungewöhnliches politisches Buch vorgestellt. In „Mitmach-Demokratie“ macht sich die Unternehmerin und frühere FDP-Politikerin (jetzt: Bürger für Thüringen BfTh) Gedanken, wie unsere tradierte parlamentarische Demokratie mit neuem Leben gefüllt werden kann. „Ich möchte Widersprüche aufzeigen und Lösungen finden“, sagt sie im Gespräch mit THÜRINGEN.JETZT.

Politiker und Politikerinnen, die nicht nur auf die nächste Listenaufstellung und den nächsten Wahltermin schauen, sondern darüber hinaus denken, sind heute selten geworden. Und genau deshalb ist es wichtig, dass man dieser Frau zuhört – losgelöst von Ideologien und Parteibuchgeklüngel.

Demokratie und Transparenz bei politischen Entscheidungen, dass ist das Leitmotiv von Bergner. Und dazu gehört ganz vorn, dass Volksentscheide möglich werden, also die Bürger bei wichtigen Entscheidungen ganz direkt beteiligt werden, ja, den Ausschlag geben. „Das Volk ist doch der Souverän“, sagt die erfolgreiche Unternehmerin und nennt das Land Brandenburg als Vorbild. Auf Bundesebene sind Volksentscheide nicht vorgesehen – außer, wenn es um Gebietsfragen geht. So steht es im Grundgesetz. Aber eine stärkere Beteiligung von Kleinparteien, die sich zur Durchsetzung gemeinsamer Anliegen zu Wahlbündnissen vereinen – das mach fast niemand. Außer ein einmaliger Versuch in Brandenburg, wo die Freien Wähler im Bündnis mit anderen sechs Prozent und damit den Einzug in den Landtag schafften. In Thüringen ist das unmöglich – jetzt jedenfalls. Bergner: „Die Wahrheit im Politikbetrieb ist doch: Eine Regierung findet sich in einer Koalition zusammen und regiert vier Jahre lang durch. Die Opposition kann Fragen stellen und Anträge schreiben, die aber nie eine Mehrheit finden. Sie haben nichts zu sagen.“

Warum also soll es nicht möglich sein, in einem Bundesland wie Thüringen mit wechselnden Mehrheiten zu regieren? Das sei auch wichtig, um das Prinzip der Gewaltenteilung zur Geltung zu bringen. Das Parlament soll eigentlich die Regierung kontrollieren, in Wahrheit aber seien die Abgeordneten Erfüllungsgehilfen der Regierenden.

Bergner: „Die Bevölkerung hat die Nase voll von unseriösen Deals.“ Hätte sie etwas zu sagen, dann würden zum Beispiel nach einer Wahl die Ministerstellen ausgeschrieben. Da kann sich jeder für die Leitung der Ressorts bewerben, und das mit aussagekräftigen Unterlagen über bisherige Leistungen und Fachkenntnisse. Und dann solle eine Berufungskommission aus Abgeordneten aller Landtagsfraktionen entscheiden, wer der beste Bewerber und geeignet für den Ministerposten sei. Und wer Management kann und Sozialkompetenz besitzt. Revolutionäre Gedanken, aber: Warum eigentlich nicht?

„Parteien und Parlamente, das ist alles schön und gut“, sagt Bergner, aber viel wichtiger sei es, sich auch Zusammenhänge zwischen Natur und Gesellschaft zu erschließen und mit Fachleuten ins Gespräch zu kommen. Viel zu viele Berufspolitiker kümmerten sich viel zu wenig um die Lebensgrundlagen der Gesellschaft morgen und übermorgen. Manche folgten einfach Ideologien und füllten sich die eigenen Taschen statt den Job als Vertreter des Volks auszufüllen.

Das Thema Natur und Umwelt treibt Ute Bergner um. In ihrem neuen Buch plädiert sie für eine Kreislaufwirtschaft und stellt klar, dass CO2 kein Schadstoff, sondern ein Rohstoff sei. Man müsse schonend und sorgsam mit unseren Wäldern umgehen und nicht einfach dort, wo der Wald stirbt, Windkraftanlagen aufbauen.

Ute Bergner will nicht alten Pfaden folgen, sie will als Einzelkämpferin im Landtag Pflöcke einschlagen oder, wie sie sagt, eben Widersprüche benennen und Lösungen finden. Sachlich, nicht ideologisch. Und sie hat zwei Volksbegehren im Freistaat gestartet, eines – da geht es um die Änderung des Wahlgesetzes – läuft bereits.

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Richter nennt Angriff auf Jungen in Tram «menschenfeindlich»

Die Videos, die Ende April von Erfurt über die Sozialen Medien durch die Republik gingen, standen auch zum Prozessauftakt im Fokus.

Sie zeigten deutlich, dass der Angriff in einer Erfurter Straßenbahn «ganz offensichtlich menschenfeindlich» war, sagte der Vorsitzende Richter im Erfurter Landgericht.

Dort muss sich der 41 Jahre alte Angeklagte seitdem unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verantworten.

Er soll Ende April einen damals 17-Jährigen wiederholt ins Gesicht geschlagen und getreten sowie ihn rassistisch beleidigt haben, wie die Staatsanwaltschaft ihm am Donnerstag vorwarf. Zudem soll der Deutsche das Handy des Jugendlichen zerstört und den Straßenbahnfahrer zur Weiterfahrt genötigt haben. Gefährliche Körperverletzung kann mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft werden.

Der Angeklagte ist laut Richter «kein unbeschriebenes Blatt» und war zum Tatzeitpunkt auf Bewährung. Während die Videos aus der Straßenbahn bei der Ansicht für angespanntes Raunen in dem Saal voller Zuschauer und Medienvertreter sorgten, blieb der 41-Jährige regungslos. «Nachdem ich das Video gesehen habe, ist mir das auch peinlich», hatte er vorher durch seinen Anwalt verlesen lassen und sich für sein Handeln entschuldigt.

Aufgrund der vielfältigen Beweise und Zeugen sowie der Einlassung des Angeklagten wird es in dem Prozess weniger um den Tatvorwurf an sich als um das Strafmaß gehen. Dafür werden am zweiten Prozesstag am Freitag etwa Zeugen aus der Straßenbahn angehört. Auch der mittlerweile 18-Jährige, der dem Angriff ausgesetzt war, soll befragt werden. Am Donnerstag blieb der laut Vorsitzendem Richter in dem Video «völlig verschüchterte junge Mann» dem Prozess noch fern.

Die Nebenklage schlug vor, die Anklage um den Vorwurf des versuchten Mordes aus niederen Beweggründen zu erweitern. Durch die wiederholten «massiven» Tritte gegen den Kopf des Geschädigten habe er einen Tod in Kauf genommen. Ob der Hinweis aufgenommen wird, blieb zunächst offen.

Bei dem Angriff im April handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Immer wieder kommt es in Thüringen zu rassistischen Übergriffen. Zuletzt hatte eine Gruppe Erfurter am vergangenen Wochenende zwei Männer mit einem Schlagring und einer Bierflasche attackiert und dabei rassistische Parolen gerufen.

Für den Prozess sind zunächst drei weitere Verhandlungstermine bis Dienstag (26. Oktober) angedacht (Az. 3 KLs 501 Js 13526/21 jug).




Hans-Georg Maaßen auf dem CDU-Landesparteitag: „Es darf kein „Weiter so!“ geben

SUHL – „Ich würde Sie persönlich ja wählen, aber nie wieder die CDU“, so beschrieb heute Hans-Georg Maaßen seinen Parteifreunden auf dem Landesparteitag der einstmals dominierenden Thüringen-Partei seine Begegnungen mit Bürgern bei Veranstaltungen und an Infoständen im Bundestagswahlkampf. Knapp 150 Delegierte waren ins Congress Centum in Suhl gekommen, um den Scherbenhaufen nach dem beschämenden Ergebnis am 26. September besonders in Thüringen zusammenzufegen.

Mario Voigt, Fraktionschef der zuvor schon arg geschrumpften CDU im Landtag, fühlte sich von seiner Bundespartei allein gelassen und klagte, dass insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel die Thüringer im Bundestagswahlkampf im Stich gelassen habe. Sein Plan für die Zukunft: „Das Richtige für unser Land tun“. Die CDU müsse sich insbesondere fern von Linke und AfD halten. Wie genau er das machen will bei einer immer mehr wachsenden Höcke-Partei und der eigenen direkten Unterstützung der von den Bürgern abgewählten Regierung Ramelow, das bleibt Voigts Geheimnis.

In Beiträgen von Landeschef Christian Hirte und der Europaabgeordneten Marion Walsmann klang Verständnis für Forderungen nach mehr Basisbeteiligung in der Partei an. Walsmann betonte dabei, die Union müsse den Wählern gerade bei ihren Kernthemen viel deutlicher sagen, wohin die Reise gehen soll.  Es habe zuletzt viel zu viele faule Kompromisse gegeben, die den Mitgliedern und Wählern als alternativlos präsentiert worden seien.

Hirte und Voigt räumten Versäumnisse im Wahlkampf ein, waren gleichzeitig aber um Zuversicht bemüht. Hirte bezeichnete die Ergebnisse als desaströs: „Die CDU wurde abgewählt!“ Einer der Hauptgründe sei ohne Zweifel die Entscheidung für Armin Laschet als Kanzlerkandidat gewesen. Eine Entscheidung, die insbesondere von der Landesspitze der Thüringer CDU gefordert und unterstützt worden war. In Zukunft will Hirte in der „Fläche des Landes“ mit Profil und Themen präsenter werden, was immer das auch heißen soll. „Eine Volkspartei mit starken Flügeln“, wünscht er sich – und die bekommt er nun wohl, wofür die Anwesenheit von Maaßen spricht, der inzwischen seinen Wohnsitz in Suhl hat und nicht den Eindruck macht, als wolle er nach seinem kurzen Gastspiel als Kandidat im Wahlkreis 196 den Freistaat nun wieder Richtung Berlin verlassen.

In der Aussprache kam zumindest aus den Reihen der Delegierten Kritik, etwa vom Jenaer Kreisvorsitzenden Guntram Wothly, der klarstellte: „Wir brauchen keine Partei der Funktionäre, sondern eine Partei, die funktioniert und sich in die Dienste ihrer Basis stellt.“

Ganz still wurde es im Saal, als der frühere Chef des Verfassungsschutzes und CDU-Kandidat für den Wahlkreis 196 in Südthüringen ans Rednerpult trat. Hans-Georg Maaßen hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Auditoriums, als er in ruhigen aber an Klarheit nicht zu überbietenden Worten seine persönliche Analyse des Wahlkampfes schilderte. Er hätte sich bei manchen persönlichen Angriffen gegen ihn, auch organisisert von Linksaußen, deutlich mehr Rückhalt der eigenen Landespartei gewünscht, sagte Maaßen. Dann griff er die Vorgänge aus dem vergangenen Jahr rund um die Wiedereinsetzung des von den Thüringer Wählern nicht mehr gewollten Linken Bodo Ramelow auf. Maaßen:“Die Bürger haben CDU gewählt und trotzdem Ramelow bekommen.“ Und das mit Unterstützung der CDU-Bundeskanzlerin, die damals in Südafrika weilte. Ein „Weiter so!“ dürfte es nach dem desaströsen Wahlergebnis nicht geben. Deshalb sei die Beteiligung der Mitglieder für ihn eine essentielle Forderung. Die CDU dürfe nicht zu einer Kaderpartei werden.

Der frühere Landeschef Mike Moring sprach aus, was wohl jeder im Saal dachte: Die Schuld für das katastrophale Wahlergebnis könne nicht nur bei der Bundes-CDU gesucht werden. Moring weiter: „Ich glaube, dass wir das Schicksalsjahr 2024 nur bestehen, wenn wir unsere internen Meinungsverschiedenheiten beilegen.“ Er sei bereit, dafür den ersten Schritt zu gehen und „die Hand zu reichen“. Im Jahr 2024 finden in Thüringen mehrere Wahlen statt, voraussichtlich auch Landtagswahlen.

Der Erfurter CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Weisskopf wurde schließlich zum neuen Schatzmeister des Thüringer CDU-Landesverbandes gewählt. Er erhielt 109 Ja- und 25 Nein-Stimmen, es gab elf Enthaltungen.

 

 




Thüringens CDU am Abgrund: Warum sollte irgendwer noch bei der Union das Kreuzchen machen?

von KLAUS KELLE

ERFURT – Die Thüringer CDU war einmal die dominierende politische Kraft im Freistaat, ausgestattet mit absoluten Mehrheiten mit Abonnement auf den Gewinn der allermeisten Direktwahlkreise für ihre Kandidaten bei Bundestags- und Landtagswahlen. Das ist Geschichte.

Ganze 16,9 Prozent der Wähler in Thüringen kreuzten bei der Bundestagswahl am 26. September mit ihrer Zweitstimme noch die Christdemokraten an – ein Verlust gegenüber dem schon mauen Ergebnis von 2017 umd 11,9 Prozent. Mit Desaster ist dieses Ergebnis noch freundlich umschrieben.

Doch während anderswo in Deutschland prominente Politiker der CDU bereit sind, persönlich die Verantwortung zu übernehmen, ruht der See still bei der CDU im Lande. Gerade haben Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier, immerhin beide Bundesminister, ihre Mandate im Saarland zurückgegeben, um Platz für junge unverbrauchte Nachrücker zu machen. Während Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ankündigte, in Rheinland-Pfalz ihren Landesvorsitz aufzugeben, zieht man sich in Thüringen darauf zurück, das schlechte Wahlergebnis sei nicht die Schuld der hiesigen Union, sondern „des falschen Kanzlerkandidaten“.

Dabei ist unstrittig, dass Armin Laschet die denkbar schlechteste Wahl für einen gemeinsamen Spitzenkandidaten von CDU und CSU gewesen ist. Und praktisch alle CDU-Landesverbände in Ostdeutschland wollten nicht Armin Laschet, sondern Friedrich Merz oder wenigstens Markus Söder. Aber dabei darf auch nicht vergessen werden, dass es die CDU-Nomenklatura gerade in Thüringen gewesen ist, die wider besseren Wissens Laschet unterstützt hatte, um Friedrich Merz zu verhindern. Und die beiden Spitzenmänner Voigt und Hirte organisierten dabei kräftig mit. Wenn Fraktionschef Mario Voigt jetzt nach der Wahl sagt, dass „Laschet der Falsche“ gewesen sei, muss er sich fragen lassen, ob er das nicht auch schon vorher hätte wissen können, so wie Hunderttausende Parteimitglieder und Millionen Wahlbürger in Deutschland.

Die völlig irrationale Kampagne der Merkel-Fans in der Parteispitze gegen den Wirtschaftsexperten aus dem Sauerland, der zweifellos ein deutlich besseres Ergebnis für die Union erzielt hätte – das sagten alle Umfragen auch schon vor der Wahl – ist der eigentliche Grund für diesen beispiellosen Einbruch der einst großen Volkspartei der Mitte.

Am Wochenende tritt der Landesparteitag der Thüringer CDU zusammen. Ob dort endlich einmal klar Schiff gemacht wird, ist fraglich, ich zweifle daran. Schuld sind ja immer die anderen.

Die nackte Wahrheit jedoch ist: Die Thüringer CDU bietet spätestens schon seit der grandios vergeigten Landtagswahl personell wie inhaltlich ein trostloses Bild. Begonnen hat es mit der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten. Gewählt mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD kam es wie es wohl kommen musste. Gottkanzlerin Merkel ordnete per Telefon an, eine absolut korrekt verlaufene demokratische Wahl „rückgängig“ zu machen. Und alle vollzogen die Anordnung aus Südafrika. Die folgende Hetzjagd auf Kemmerich und seine Familie besorgten den Rest.

Und so verhalf ausgerechnet die CDU, die sich stolz die „Partei der deutschen Einheit“ nennt, einem abgewählten Kommunisten und seiner rot-rot-günen Laienspielschar wieder ins Amt. Und die CDU half dabei mit. Niemals gab es einen Parteitagsbeschluss der CDU, Ramelow zu stützen, sie kungeln es einfach hinter verschlossenen Türen aus. Was das dumme Wahlvolk will, spielt keine Rolle.

Niemand weiß heute, warum er oder sie in Thüringen die CDU wählen sollte. Kemmerich ja oder nein. Hans-Georg Maaßen, von Kreisverbänden im Süden als Kandidat nominiert, von der Landesspitze der CDU bekämpft. Und dann die Maskenaffäre und so weiter und so weiter.

Auch die Spitze der CDU in Thüringen versichert nun, man wolle jetzt ganz doll transparent sein und auf die Basis hören. Transparent? Beim Landesparteitag am kommenden Wochenende will die CDU einen neuen Schatzmeister wählen. Auf den Fluren werden Namen geflüstert – aber einen Kandidaten hat Hirte offiziell noch nicht benannt – eine Woche vor der Wahl. Das regelt man in der Freistaat-Union hinter verschlossenen Türen. Und so ist ein Ende des Elends nicht abzuzehen. Alles soll so weitergehen, und nach unten ist noch eine Menge Luft.




Mit diesem Team will Ute Bergner (BfTh) mit den Thüringern intensiv ins Gespräch kommen

ERFURT – Die Landtagsabgeordnete Ute Bergner aus Jena ist in Thüringen durch einen ganz neuen basisorientierten Politikansatz  bekannt geworden. Die Unternehmerin, die gerade ihre frühere FDP-Fraktion verlassen hat, organisiert etwas, was es vorher im Freistaat und wohl auch in anderen Bundesländern nicht gegeben hat: eine Fraktion außerhalb des Landtags mit direkten Ansprechpartnern für die Bürger, die sich in die aktive Politik mit Anregungen und neuen, frischen Ideen einbringen wollen. Und die vom althergebrachten Politbetrieb nicht mehr erreicht werde.

Frau Bergner, Sie sind nun raus aus Ihrer früheren FDP-Fraktion und freischaffende Künstlerin im Landtag für die „Bürger für Thüringen“. Können Sie da überhaupt noch was bewegen?

Das werde ich austesten, was ich bewegen kann. Es heißt ja, dass ein fraktionsloser Abgeordneter ein zahnloser Tiger sein soll. Ich sehe das nicht so. Ich habe zum Beispiel zu jedem Thema fünf Minuten Rederecht im Parlament – das werde ich vielleicht allein nicht ganz schaffen dort, aber jede Gelegenheit nutzen, um die Anliegen der Thüringerinnen und Thüringen im Parlament zur Sprache zu bringen.

Sie sagen es selbst: wie wollen Sie das allein schaffen?

Mit der Unterstützung meiner ehrenamtlichen Fraktion im Hintergrund.

Ich starte jetzt auch mein erstes Volksbegehren – zur Änderung des Wahlgesetzes. Mal sehen, ob ich auch das Parlament begeistern kann, das Anliegen schlanker umzusetzen als mit einem Volksbegehren. Ein zweites Volksbegehren ist in Arbeit.

 Ich werde auf alle Fraktionsvorsitzenden zugehen und mit ihnen prüfen, wo es Gemeinsamkeiten in inhaltlichen Fragen gibt. Danach werde ich weiter sehen.

Sie haben das Konzept einer „ehrenamtlichen Fraktion“ aus ganz unterschiedlichen Bürgern entwickelt. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Da ich nicht in allen Themen des Landtages Expertin bin, brauche ich professionelle Unterstützung. Das können wir über „Bürger für Thüringen“ im ganzen Land gut organisieren. Wir wollen die Stimme des Bürgers im Parlament sein und eröffnen damit eine neue Plattform, auch für Bürgerbewegungen.

Ursprünglich sind Sie davon ausgegangen, dass bald  ein neuer Landtag in Thüringen gewählt wird. Aber es hat den Anschein, dass irgendwie kaum einer so recht Interesse daran hat, oder?

Es gab ein Versprechen von Rot-Rot-Grün und CDU an die Bürger in Thüringen, dass es spätestens Ende September Neuwahlen gibt. Das passiert nun nicht, weil nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten bereit waren, einen Antrag auf Auflösung des Parlaments zu stellen. Ich selbst habe immer die Wahrscheinlichkeit bei 50/50 gesehen, ob dieses Versprechen umgesetzt wird. Jetzt ist es halt nicht so, die Situation ist wie sie ist – ich habe gelernt, aus Situationen etwas zu machen. Und das werde ich tun.

Mit der Gründung der „Bürger für Thüringen“ hat sich Ihre Partei, haben aber auch Sie persönlich sich bisher stark in das Corona-Thema und die Aufforderung der Regierenden eingemischt, unsere Gesellschaft durch zu impfen und so eine Herdenimmunität zu erreichen. Ist aus dem Thema nicht langsam die Luft raus, wo die Leute wieder Urlaub machen und im Biergarten sitzen können?

Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema Corona auseinandergesetzt. Unter dem Coaching von Medizinprofis habe ich versucht, die Wechselwirkung des Virus mit unserem Körper zu verstehen, um gute Entscheidungen in der Politik mit zu treffen. So ist aus rein wissenschaftlicher und analytischer Sicht vieles für mich nicht nachzuvollziehen, wie in Deutschland gehandelt wird. Rückblickend kann ich die Fehler aus meiner Perspektive wie folgt zusammenfassen:

 Es wurde keine Prophylaxe betrieben um unser Immunsystem zu stärken, stattdessen wurden Maßnahmen angeordnet, die unser Immunsystem schwächen.

 Wer Symptome hatte und positiv getestet war, wurde zu Hause eingesperrt, und in vielen Fällen allein gelassen. Es gab keine Unterstützung im Frühstadium zu Heilung. Nach dem Motto: Entweder wirst Du von allein gesund, oder Du musst auf die Intensivstation.

 Die Panikmache mit Long Covid empfinde ich als unehrlich, denn diese Symptome gab es schon vorher. Wenn ich mich mit Medizinern und Fachleuten unterhalte, lerne ich, dass es auch hier schon Lösungen gibt, die man offensichtlich nicht nutzen will.

Bürgerrechte, Freiheit, gegen Impfzwang, gesund leben – das waren bisher Ihre Schwerpunktthemen. Frau Bergner. Was sagen Sie den Bürgern, die nun fragen, wie es wirtschaftlich weitergehen soll nach den harten Lockdowns. Wer hilft den kleinen Betrieben und der Gastronomie wieder auf die Beine? Können unsere  Kinder aufholen, was sie in der Schule verpasst haben?

Bürgerrechte sind ein ganz wichtiges Thema, da dürfen wir Bürger uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen! Leider begreifen viele Menschen noch nicht, wie wichtig der Kampf für ihre  Bürgerrechte und für unsere ganze Gesellschaft ist.

 Freiheit ist für uns ein ganz komplexes Thema. Und es ist ein großes Wort. Ich denke, wir sollten in unserem Umfeld anfangen, selbstbestimmt leben und selbst Verantwortung für unser Leben und unsere Familien übernehmen.

Aber noch einmal: Kaum eine Berufsgruppe hat unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie die vielen kleinen Betriebe und die Gastronomen auch hier in Thüringen. Muss der Staat jetzt Geld verteilen, um das alles zu retten?

Nein, im Gegenteil. Der Staat muss nicht Geld nachdrucken, sondern den vielen Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Und die Wirte haben allen Grund, selbstbewusst aufzutreten nach all dem, was ihnen in den vergangenen eineinhalb Jahren vom Staat zugemutet wurde

Und die Schüler, unsere Kinder?

Was man mit den Kindern gemacht hat, ist für mich das größte Verbrechen überhaupt. Man hat Kindern Bildungschancen geraubt. Wenn es wirklich wahr ist, dass die Abschlussprüfungen bei keinen Qualitätsabstrichen dieses Jahr besser ausgefallen sind als vorher, sollte man sich Gedanken machen, wie schlecht das Vor-Corona-Schulsystem war. Was ganz schlimm ist, sind die psychischen Schäden, die viele Kinder davon getragen haben.

 




Laschet verteidigt Thüringer CDU-Fraktion

Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, hat nach der Abstimmung des Misstrauensvotums im Thüringer Landtag Partei für die Thüringer CDU-Fraktion ergriffen.

Der Thüringer Fraktionsvorsitzende habe «eine knallharte Rede der Abgrenzung gegen die AfD gehalten», sagte der CDU-Chef im Sommerinterview des ZDF. «Das Signal von Mario Voigt war glasklar: Mit denen reden wir nicht, mit denen kooperieren wir nicht, mit denen verhandeln wir nicht – wir gehen nicht mal auf deren Spiele im Landtag ein.»

Das Landesparlament entschied am Freitag über ein Misstrauensvotum, das die AfD-Fraktion gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) anstrengte. Die Fraktionen von Linke, SPD, Grüne und FDP stimmten geschlossen mit Nein. Die CDU-Abgeordneten blieben wie angekündigt auf ihren Plätzen sitzen und stimmten nicht mit ab – was ihnen bereits im Vorfeld viel Kritik eingebracht hatte.

«Ich bedaure sehr, dass Rot-Rot-Grün das Versprechen nicht eingehalten hat, dass wir zu Neuwahlen kommen. Das wäre in Thüringen der beste Weg gewesen», sagte Laschet. Mit dem Misstrauensvotum habe der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke jedoch die parlamentarische Demokratie vorführen wollen. Als Fraktion zu sagen «Wir machen euer Spiel hier im Landtag nicht mit», sei legitim. Laschet habe dennoch Respekt, «wenn andere sagen, wir machen das mit einer Nein-Stimme».

Auf die Frage, ob er sich wünsche, dass der CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen nicht gewählt worden sei, sagte Laschet: «Unser Recht sieht es so vor, dass im Wahlkreis selbst entschieden wird, wer der Kandidat ist. Und ich finde, das muss man respektieren, auch wenn man viele Positionen nicht teilt.»

Notizblock




Alle starren gebannt darauf, was die AfD macht – um dann unbedingt dagegen zu sein

von SIMONE ROTHE

ERFURT – «Was macht die AfD? Was den größtmöglichen Schaden anrichtet» – ist fast schon ein geflügeltes Wort im Thüringer Landtag.

An diesem Freitag ist es wieder so weit: Das Dauerduell von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke (49) gegen den Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (65) geht in die nächste Runde. Höcke tritt – anders als bei der Ministerpräsidentenwahl im März 2020 – nicht direkt gegen seinen Lieblingsgegner an. Er nutzt einen Passus in der Verfassung – das konstruktive Misstrauensvotum.

Damit «wollen wir die formalen Voraussetzungen dafür schaffen, die gescheiterte Minderheitskoalition von Bodo Ramelow zu beenden», formuliert die AfD-Fraktion als Ziel ihrer Aktion. «Der Parlamentarismus lebt davon, dass die Opposition regieren will», meint Höcke. Ramelow samt seiner rot-rot-grünen Regierung wäre gestürzt, sollte Höcke mit mindestens 46 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Warum das Spektakel bei geringer Aussicht auf Erfolg?

Höckes Chancen? Sie gehen gegen Null – weil außer der AfD keine andere Fraktion zustimmen will. Warum dann das Spektakel, genau eine Woche nachdem in Thüringen die eigentlich für September geplante Landtagswahl abgeblasen wurde?

«Die AfD benutzt den Landtag. Es geht ihr um Tabubruch, um größtmögliche Verunsicherung und darum, Thüringen und die parlamentarische Demokratie lächerlich zu machen. Eine andere Rolle der AfD kann ich nicht erkennen», sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich.

Seit der Landtagswahl 2019 stellt die AfD die zweitstärkste Fraktion mit 22 von 90 Abgeordneten. Immer wieder beeinflusst die vom Thüringer Verfassungsschutz wegen rechtsextremer Tendenzen beobachtete Partei Landtagsentscheidungen weit stärker, als es ihre faktische Stärke zulassen würde. Höcke, der als Fraktionschef Regie führt, gilt als Mitgründer des inzwischen formal aufgelösten und vom Bundesamt vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften «Flügels» der AfD – er ist damit für keine andere Fraktion akzeptabel bei der Mehrheitsfindung.

Politikwissenschaftler wie der Erfurter André Brodocz und der Jenaer Torsten Oppelland sehen den Landtag in einem Dilemma angesichts der schwierigen Verhältnisse: Ramelows Koalition aus Linke, SPD und Grünen, der vier Stimmen fehlen, und die beiden Oppositionsfraktionen CDU und FDP haben es mit einer großen AfD-Fraktion zu tun – die damit indirekt viel Einfluss hat. «Die einzigen, die derzeit eine Mehrheit bilden könnten, sind Parteien – Linke und CDU oder gar AfD – die nicht kompatibel sind», beschreibt Oppelland die Lage. Die AfD habe auch Macht, «weil die anderen Fraktionen ihr Handeln von ihr abhängig machen», sagt Brodocz.

Im Juli versetzte die Höcke-Fraktion den Landtag in Erfurt regelrecht in Dauerstress. Im ersten Akt ging es um den Vorsitz in Untersuchungsausschüssen. Die AfD wollte einen zu Treuhand-Entscheidungen in den 1990er Jahren, die CDU einen, der aktuelle Fälle politisch motivierter Gewalt untersucht.

Die AfD zog ihren Antrag zurück – und hatte damit plötzlich als zweitstärkste Fraktion Anspruch auf den Vorsitz ausgerechnet in einem Ausschuss, der sich mit extremistischen Tendenzen befassen soll. CDU-Fraktionschef Mario Voigt warf der AfD Tricksereien vor und reagierte mit einem taktischen Manöver: Die CDU beantragte einen Treuhandausschuss, den sie eigentlich gar nicht wollte. Mit den Folgen musste sich der Landtag am Donnerstag befassen.

Der zweite Akt: Bei der geplatzten Landtagsauflösung vor einer Woche spielte die Angst, AfD-Stimmen könnten letztlich den Ausschlag geben, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Das Parlament könne nicht mit einer Partei aufgelöst werden, «der die parlamentarische Demokratie verhasst ist», begründete der Fraktionsvorsitzende der Linken, Steffen Dittes, den Rückzieher.

Der dritte Akt folgt an diesem Freitag und sorgt bereits für umstrittene Reaktionen: Die CDU-Faktion entschied sich, beim Misstrauensvotum gegen Ramelow passiv zu bleiben und die Stimmabgabe zu verweigern.

FDP-Fraktion will «Höcke definitiv nicht wählen»

«Mit seiner Kandidatur versucht Björn Höcke einmal mehr, dieses Parlament verächtlich zu machen. Deshalb werden wir uns auf die durchschaubaren Spiele der AfD nicht einlassen», so ihr Fraktionsvorsitzender Voigt. «Das demokratische Signal wird dadurch schwächer», befürchtet SPD-Chef Georg Maier. Einige bei Rot-Rot-Grün glauben, Voigt wolle nicht riskieren, dass bei mehr als 22 Stimmen für Höcke in der geheimen Abstimmung die Stimmen bei der CDU verortet werden könnten. Im Gegensatz zur CDU will sich die FDP an der Abstimmung beteiligen. «Wir werden Herrn Höcke definitiv nicht wählen», kündigte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich an.

Und was sagt der, um den es bei dem Misstrauensantrag, den Paragraf 73 der Verfassung vorsieht, eigentlich geht? Ramelow gibt sich staatsmännisch: «Es steht der Opposition zu – und in diesem Fall auch der AfD – einen Antrag nach Artikel 73 zu stellen.» Er gehe davon aus, dass das Parlament souverän damit umgehen werde, so Ramelow.




Ute Bergner verlässt die FDP-Landtagsfraktion und tritt den „Bürgern für Thüringen“ bei

GROßLÖBICHAU – Beim Landesparteitag der neuen Partei „Bürger für Thüringen“ (BfTh) in Großlöbichau (Saale-Holzland-Kreis)  hat die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner (Jena) am Abend ihren Austritt aus der FDP-Landtagsfraktion bekanntgegeben. Kurz davor hatte die Politikerin, die vorher bereits die Partei FDP verlassen hatte, ihren Aufnahmeantrag für die neue bürgerliche Kraft unterschrieben.

Der Schritt der Unternehmerin dürfte ihre bisherige Partei in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Die FDP-Fraktion benötigt fünf Mitglieder, um ihren Fraktionsstatus zu erhalten, der ihnen alle parlamentarischen Rechte und erhebliche Geldmittel für die politische Arbeit und das Personal garantiert. Ob das weiterfließt, ist höchst fraglich.

Bergner und die „Bürger für Thüringen“ werden zur nächsten Landtagswahl im Freistaat antreten – wann immer die auch stattfindet. Unter Beifall sagte sie, sie habe die  Diskussion der vergangenen Wochen über die Auflösung des Landtages als „unwürdig“ empfunden und wörtlich:  «Als hätten wir keine anderen Probleme in Thüringen.» Die Politikerin fasste zusammen: „Das Thüringer Parlament löst sich nicht auf und die versprochenen Neuwahlen finden nicht statt, obwohl 67 Prozent der Thüringer nach einer MDR-Umfrage dafür sind.“

Mit Bergners neuer Partei, in der sich schon jetzt Bürger aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen sammeln, versucht sie, frischen Wind in das festgefahrene Landesparlament zu bringen, die politische Arbeit transparenter für die Bürger zu machen und die starren Fraktionsgrenzen durch Einbeziehung unabhängiger Köpfe aufzubrechen.

Berger sitzt nun als Einzelabgeordnete im Parlament, hat Rederecht zu jedem Thema und – so hört man – hat auch vor, diese Möglichkeit intensiv zu nutzen, um ihre Standpunkte der Öffentlichkeit darzulegen. Dazu hat sie sich ein Dutzend ehrenamtlicher Mitstreiter zusammengestellt, die ihr nicht nur zuarbeiten, sondern auch als Ansprechpartner für die Bürger (Erstkontakt über die Homepage) zur Verfügung stehen. Bergner nannte ihr Team in ihrer Rede „eine ehrenamtliche Fraktion, die mich in meiner Arbeit unterstützt.“




Die AfD bringt ein Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow ein

Die AfD will Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und dessen rot-rot-grüne Minderheitsregierung über ein Misstrauensvotum stürzen.Als Reaktion auf die geplatzte Neuwahl des Landtags reichte die AfD-Fraktion nach eigenen Angaben am Montag den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum ein. Gegen Ramelow (65) will Fraktionschef Björn Höcke für das Amt des Ministerpräsidenten antreten. Der 49-Jährige wurde vom Verfassungsschutz als Vertreter des aufgelösten rechtsextremen Flügels der AfD eingestuft.

Die Wahlaussichten von Höcke sind gering – die Oppositionsfraktionen CDU und FDP machten deutlich, dass sie den AfD-Rechtsaußen nicht wählen werden. «Wir werden uns auf die durchschaubaren Spiele der AfD nicht einlassen», erklärte die CDU. Thüringen brauche kein «fadenscheiniges Polit-Theater, das sich als konstruktives Misstrauensvotum tarnt», erklärte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich. Dafür stände die FDP nicht zur Verfügung. Die AfD stellt die zweitgrößte Fraktion im Landtag. Sie verfügt aber nur über 22 der 90 Stimmen im Parlament in Erfurt.

Der thüringischen Verfassung zufolge kann der Landtag in Erfurt dem Ministerpräsidenten «das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt». «Den Antrag kann ein Fünftel der Abgeordneten oder eine Fraktion einbringen», heißt es in Paragraf 73. Zwischen Antrag und Wahl müssen mindestens drei und dürfen höchstens zehn Tage liegen. Die Abstimmung ist geheim. Offen ist, ob es bereits in der Landtagssitzung in dieser Woche dazu kommt.

Ramelow ist bundesweit der einzige Ministerpräsident, der der Linken angehört. Derzeit führt er eine rot-rot-grüne Minderheitskoalition, der vier Stimmen im Landtag für eine eigene Mehrheit fehlen. Sie war bisher auf Stimmen der CDU-Fraktion angewiesen. Der so genannte Stabilitätspakt zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU soll mit der parlamentarischen Sommerpause auslaufen.

Die CDU-Fraktion erläuterte: «Es ist offensichtlich, dass der Landtag niemanden wie Björn Höcke zum Ministerpräsidenten wählt, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Beobachtungsfall geführt wird.» Der Versuch der AfD, das Parlament erneut vorzuführen, resultiere daraus, dass die Linke «die Abstimmung über die Auflösung des Thüringer Landtags vereitelt hat», so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, schrieb auf Twitter: «Faschist #Höcke im Größenwahn. Jetzt will er #MP werden. Da gibt es nur eins: Sag Nein.» Sie nannte den AfD-Antrag eine Provokation. Höcke war gegen Ramelow bereits bei der Ministerpräsidentenwahl im März 2020 angetreten, hatte dann aber im dritten Wahlgang zurückgezogen.

Die AfD-Fraktion nannte hingegen als Ziel: «Mit dem von uns beantragten konstruktiven Misstrauensvotum wollen wir die formalen Voraussetzungen dafür schaffen, die gescheiterte Minderheitskoalition von Bodo Ramelow zu beenden.» Sie sei für Kandidaten auch anderer Fraktionen offen, «die einen Neustart in Thüringen ermöglichen».

Linke und Grüne hatten am Freitag die zusammen mit SPD und CDU beantragte Landtagsauflösung abgesagt, weil die von der Verfassung vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit jenseits von AfD-Stimmen unsicher war. Nach dem Debakel bei der Wahl von Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich im vergangenen Jahr dürfte nicht riskiert werden, dass AfD-Stimmen den Ausschlag auch bei einer vorgezogenen Neuwahl des Parlaments geben könnten.

Damit platzte auch die Landtagswahl, die zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September geplant war. Sie sollte für klare Mehrheiten in Erfurt sorgen.




Ungemütliche Zeiten für Ramelow brechen an – Voigt (CDU): Wir sind nicht dafür da, Rot-Rot-Grün an der Macht zu halten

Thüringens rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) muss nach der geplatzten Landtagswahl für jedes ihrer Projekte im Landtag um Unterstützung der Opposition werben.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt sieht seine Fraktion nach der abgesagten Landtagsauflösung, die von Linke, SPD, Grünen und CDU gemeinsam betrieben worden war, nicht als Mehrheitsbeschaffer. «Wir sind nicht dafür da, die Politik einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung abzusichern», sagte Voigt in Erfurt.

Die Übergangsvereinbarung mit Rot-Rot-Grün, die die Auflösung des Landtags zum Ziel hatte, laufe mit Beginn der parlamentarischen Sommerpause aus, bekräftigte Voigt. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, befürchtet dennoch keine Regierungskrise. Der Landesvorstand der Linken rief alle Fraktionen auf, den Einfluss einer extrem rechten AfD auf Parlamentsentscheidungen einzudämmen.

Ramelows Dreierkoalition fehlen vier Stimmen im Landtag – die Legislaturperiode läuft bis 2024. Die AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze stellt nach der Linken die zweitgrößte Fraktion im Parlament in Erfurt.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen forderte die CDU auf, «jetzt nicht nur am Spielfeldrand zu stehen und zu pöbeln». Auch sie müsse Vorschläge machen, wie die Sacharbeit im Landtag fortgesetzt werden könne. Größte Herausforderung sei der Haushalt 2022. «Im Zweifel müssen wir ein Bündnis eingehen mit denen, die Verantwortung übernehmen wollen», sagte Rothe-Beinlich der dpa.

Im Gegensatz zu Rothe-Beinlich rechnet der CDU-Fraktionschef mit wachsenden Problemen für Rot-Rot-Grün im Landtag. «Das ist eine Situation, wo Stillstand drohen kann.» Voigt schloss aber eine punktuelle Unterstützung seiner Fraktion nicht aus, wenn es um politische Vorhaben gehe, die auch die CDU verfolge.

Der Linke-Landesvorstand bekräftigte, er hielt und hält die Neuwahl des Thüringer Landtages für die einzig mögliche politische Reaktion auf den Tabubruch vom 5. Februar 2020, als CDU und FDP zusammen mit der AfD Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) wählten.