Erfurt – Der Streit um den Neubau einer Moschee in Erfurt beschäftigt die Bürger der Stadt wie kaum ein anderes Thema. Im Interview mit dem neuen Nachrichtenportal für Thüringen äußert sich die Oberbürgermeister-Kandidatin und Landtagsabgeordnete der CDU, Marion Walsmann…
Frau Walsmann, ein Kommentator der Lokalzeitung in Erfurt hat Ihnen jüngst vorgeworfen, bei der Frage des geplanten Moscheebaus „zündeln“ Sie angeblich an der „Volksseele“. Ist das Thema Moschee für Sie Wahlkampfkalkül?
Die Wortwahl hat mich in diesem Zusammenhang sehr irritiert. Mir geht es gerade nicht darum, etwas in Brand zu setzen – um im Bild zu bleiben – sondern ich bin für einen offenen Dialog zwischen beiden Seiten. Weder die bedingungslose Ablehnung von Rechts noch die Naivität von Links bringen uns in der Debatte weiter.
Viele Erfurter haben berechtigte Fragen, denen sich Ahmadiyya-Gemeinde und Stadt-Spitze stellen müssen. Diese Debatte müssen wir führen, denn an einer gelingenden Integration von Menschen muslimischen Glaubens hängt mittel- und langfristig der Zusammenhalt unseres Gemeinwesens.
Die Frage des Moscheebaus in Marbach beschäftigt uns seit Jahren auch im Thüringer Landtag. Ich habe im Mai 2016 dazu gesprochen. Es jetzt primär mit der OB-Wahl zu verknüpfen, ist übrigens unredlich.
Aber das Thema beschäftigt die Erfurter sehr stark. Und Umfragen in ganz Deutschland zeigen, dass die Menschen derzeit vor nichts so viel Angst haben wie vor islamistischen Extremisten. Müssen Sie da nicht eine klare Kante zeigen, wenn Sie der AfD nicht das Feld überlassen wollen?
Richtig. Klare Kante bedeutet aber nicht, Moscheen per se abzulehnen. Die Aussage von AfD-Vertretern, den Bau in Marbach zu stoppen, wird wohl verfassungs- und baurechtlich nicht haltbar sein. Und das wissen die Damen und Herren auch.
Ich habe allerdings mehrfach deutlich gemacht, dass die berechtigten Fragen vieler Bürger beantwortet werden müssen. Und zwar in erster Linie von den islamischen Gemeinschaften.
Sie müssen sagen, wie sie es mit der Trennung von Religion und Politik halten, sie müssen sagen, wie sie die Stellung der Frauen sehen und wie sie es mit Scharia und Religionsfreiheit halten. Öffentliche Diskussionsforen auch mit Vertretern der Stadtspitze sind dazu geeignet. Gerade im Zuge der Baugenehmigung hätten viele eine offene Kommunikation der Stadt erwartet. Dass die Ortsteilbürgermeisterin von der Baugenehmigung aus den Medien erfährt, ist angesichts der aufgeheizten Stimmung nicht nachvollziehbar.
Erfurt ist wie fast der gesamt Osten Deutschlands nach den Jahren im Sozialismus eine atheistische Hochburg. Warum nicht einfach allen die gleichen Rechte zugestehen? Kirchtürme? Minarette? Warum noch streiten um so etwas?
Als bekennende Christin erlauben Sie mir den Hinweis, dass in Erfurt unter den über 200.000 Einwohnern rund 50.000 Gläubige leben. Wir haben starke evangelische Gemeinden und fast 14.000 Katholiken in unserer Stadt. Daneben gibt es die orthodoxe Kirche, die Freikirchen, eine jüdische Gemeinde, eine buddhistische Gemeinde und in jüngster Zeit eben auch Muslime. Religiöse Vielfalt ist seit vielen Jahrhunderten gelebte Praxis in unserer Stadt.
Dennoch ist der erste Bau einer Moschee in Erfurt und Thüringen offensichtlich ein Thema, das mehr und sensiblere Kommunikation erfordert als ein normales Bauantragsverfahren.
Das leuchtet ein, aber konkret: Was stört Sie an den Plänen für die Moschee in Erfurt, was würden Sie anders machen als der amtierende Oberbürgermeister?
Bereits im Juni 2016 gab es eine Bürgerversammlung in Marbach, an der Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde, der Erfurter Oberbürgermeister, Abgeordnete verschiedener Parteien und zahlreiche Anwohner teilnahmen. Nach teils hitzigen Debatten ging man in der Absicht auseinander, weiter im Gespräch zu bleiben. Es folgten eine öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses im Thüringer Landtag und mehrere Debatten im Erfurter Stadtrat. In diesen aus meiner Sicht offenen Diskussionsprozess platzte zu Jahresbeginn die Nachricht von der erteilten Baugenehmigung.
Pikant dabei ist: nicht die Stadt Erfurt informierte ihre Bürger, sondern die Ahmadiyya-Gemeinde wandte sich an die Öffentlichkeit. Anwohner und kommunale Amtsträger erfuhren so aus den Medien von der Entscheidung.
Bürgerbeteiligung und Transparenz sind mir als Politikerin seit jeher wichtig. Man kann nicht ständig demokratische Teilhabe einfordern und Entscheidungen dann treffen, ohne die Bürger ausreichend zu fragen, was sie eigentlich wollen.
Als Oberbürgermeisterin hätte ich die Baugenehmigung zunächst mit Kommunalpolitikern und Vertretern der relevanten Interessengruppen erörtert. Im Anschluss kann eine Bürgerversammlung der richtige Weg sein, die Anwohner zu informieren und sie nach ihrer Meinung zu fragen. In der Politik muss man auch für unangenehme Entscheidungen werben, diese vertreten und nach Kompromissen suchen. Gerade das vermisse ich bei einigen in Wahlkampfzeiten. Da stehen eher Spendenübergaben und Grundsteinlegungen im Vordergrund.