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Hans-Georg Maaßen auf dem CDU-Landesparteitag: „Es darf kein „Weiter so!“ geben

SUHL – „Ich würde Sie persönlich ja wählen, aber nie wieder die CDU“, so beschrieb heute Hans-Georg Maaßen seinen Parteifreunden auf dem Landesparteitag der einstmals dominierenden Thüringen-Partei seine Begegnungen mit Bürgern bei Veranstaltungen und an Infoständen im Bundestagswahlkampf. Knapp 150 Delegierte waren ins Congress Centum in Suhl gekommen, um den Scherbenhaufen nach dem beschämenden Ergebnis am 26. September besonders in Thüringen zusammenzufegen.

Mario Voigt, Fraktionschef der zuvor schon arg geschrumpften CDU im Landtag, fühlte sich von seiner Bundespartei allein gelassen und klagte, dass insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel die Thüringer im Bundestagswahlkampf im Stich gelassen habe. Sein Plan für die Zukunft: „Das Richtige für unser Land tun“. Die CDU müsse sich insbesondere fern von Linke und AfD halten. Wie genau er das machen will bei einer immer mehr wachsenden Höcke-Partei und der eigenen direkten Unterstützung der von den Bürgern abgewählten Regierung Ramelow, das bleibt Voigts Geheimnis.

In Beiträgen von Landeschef Christian Hirte und der Europaabgeordneten Marion Walsmann klang Verständnis für Forderungen nach mehr Basisbeteiligung in der Partei an. Walsmann betonte dabei, die Union müsse den Wählern gerade bei ihren Kernthemen viel deutlicher sagen, wohin die Reise gehen soll.  Es habe zuletzt viel zu viele faule Kompromisse gegeben, die den Mitgliedern und Wählern als alternativlos präsentiert worden seien.

Hirte und Voigt räumten Versäumnisse im Wahlkampf ein, waren gleichzeitig aber um Zuversicht bemüht. Hirte bezeichnete die Ergebnisse als desaströs: „Die CDU wurde abgewählt!“ Einer der Hauptgründe sei ohne Zweifel die Entscheidung für Armin Laschet als Kanzlerkandidat gewesen. Eine Entscheidung, die insbesondere von der Landesspitze der Thüringer CDU gefordert und unterstützt worden war. In Zukunft will Hirte in der „Fläche des Landes“ mit Profil und Themen präsenter werden, was immer das auch heißen soll. „Eine Volkspartei mit starken Flügeln“, wünscht er sich – und die bekommt er nun wohl, wofür die Anwesenheit von Maaßen spricht, der inzwischen seinen Wohnsitz in Suhl hat und nicht den Eindruck macht, als wolle er nach seinem kurzen Gastspiel als Kandidat im Wahlkreis 196 den Freistaat nun wieder Richtung Berlin verlassen.

In der Aussprache kam zumindest aus den Reihen der Delegierten Kritik, etwa vom Jenaer Kreisvorsitzenden Guntram Wothly, der klarstellte: „Wir brauchen keine Partei der Funktionäre, sondern eine Partei, die funktioniert und sich in die Dienste ihrer Basis stellt.“

Ganz still wurde es im Saal, als der frühere Chef des Verfassungsschutzes und CDU-Kandidat für den Wahlkreis 196 in Südthüringen ans Rednerpult trat. Hans-Georg Maaßen hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Auditoriums, als er in ruhigen aber an Klarheit nicht zu überbietenden Worten seine persönliche Analyse des Wahlkampfes schilderte. Er hätte sich bei manchen persönlichen Angriffen gegen ihn, auch organisisert von Linksaußen, deutlich mehr Rückhalt der eigenen Landespartei gewünscht, sagte Maaßen. Dann griff er die Vorgänge aus dem vergangenen Jahr rund um die Wiedereinsetzung des von den Thüringer Wählern nicht mehr gewollten Linken Bodo Ramelow auf. Maaßen:“Die Bürger haben CDU gewählt und trotzdem Ramelow bekommen.“ Und das mit Unterstützung der CDU-Bundeskanzlerin, die damals in Südafrika weilte. Ein „Weiter so!“ dürfte es nach dem desaströsen Wahlergebnis nicht geben. Deshalb sei die Beteiligung der Mitglieder für ihn eine essentielle Forderung. Die CDU dürfe nicht zu einer Kaderpartei werden.

Der frühere Landeschef Mike Moring sprach aus, was wohl jeder im Saal dachte: Die Schuld für das katastrophale Wahlergebnis könne nicht nur bei der Bundes-CDU gesucht werden. Moring weiter: „Ich glaube, dass wir das Schicksalsjahr 2024 nur bestehen, wenn wir unsere internen Meinungsverschiedenheiten beilegen.“ Er sei bereit, dafür den ersten Schritt zu gehen und „die Hand zu reichen“. Im Jahr 2024 finden in Thüringen mehrere Wahlen statt, voraussichtlich auch Landtagswahlen.

Der Erfurter CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Weisskopf wurde schließlich zum neuen Schatzmeister des Thüringer CDU-Landesverbandes gewählt. Er erhielt 109 Ja- und 25 Nein-Stimmen, es gab elf Enthaltungen.

 

 




Thüringens CDU am Abgrund: Warum sollte irgendwer noch bei der Union das Kreuzchen machen?

von KLAUS KELLE

ERFURT – Die Thüringer CDU war einmal die dominierende politische Kraft im Freistaat, ausgestattet mit absoluten Mehrheiten mit Abonnement auf den Gewinn der allermeisten Direktwahlkreise für ihre Kandidaten bei Bundestags- und Landtagswahlen. Das ist Geschichte.

Ganze 16,9 Prozent der Wähler in Thüringen kreuzten bei der Bundestagswahl am 26. September mit ihrer Zweitstimme noch die Christdemokraten an – ein Verlust gegenüber dem schon mauen Ergebnis von 2017 umd 11,9 Prozent. Mit Desaster ist dieses Ergebnis noch freundlich umschrieben.

Doch während anderswo in Deutschland prominente Politiker der CDU bereit sind, persönlich die Verantwortung zu übernehmen, ruht der See still bei der CDU im Lande. Gerade haben Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier, immerhin beide Bundesminister, ihre Mandate im Saarland zurückgegeben, um Platz für junge unverbrauchte Nachrücker zu machen. Während Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ankündigte, in Rheinland-Pfalz ihren Landesvorsitz aufzugeben, zieht man sich in Thüringen darauf zurück, das schlechte Wahlergebnis sei nicht die Schuld der hiesigen Union, sondern „des falschen Kanzlerkandidaten“.

Dabei ist unstrittig, dass Armin Laschet die denkbar schlechteste Wahl für einen gemeinsamen Spitzenkandidaten von CDU und CSU gewesen ist. Und praktisch alle CDU-Landesverbände in Ostdeutschland wollten nicht Armin Laschet, sondern Friedrich Merz oder wenigstens Markus Söder. Aber dabei darf auch nicht vergessen werden, dass es die CDU-Nomenklatura gerade in Thüringen gewesen ist, die wider besseren Wissens Laschet unterstützt hatte, um Friedrich Merz zu verhindern. Und die beiden Spitzenmänner Voigt und Hirte organisierten dabei kräftig mit. Wenn Fraktionschef Mario Voigt jetzt nach der Wahl sagt, dass „Laschet der Falsche“ gewesen sei, muss er sich fragen lassen, ob er das nicht auch schon vorher hätte wissen können, so wie Hunderttausende Parteimitglieder und Millionen Wahlbürger in Deutschland.

Die völlig irrationale Kampagne der Merkel-Fans in der Parteispitze gegen den Wirtschaftsexperten aus dem Sauerland, der zweifellos ein deutlich besseres Ergebnis für die Union erzielt hätte – das sagten alle Umfragen auch schon vor der Wahl – ist der eigentliche Grund für diesen beispiellosen Einbruch der einst großen Volkspartei der Mitte.

Am Wochenende tritt der Landesparteitag der Thüringer CDU zusammen. Ob dort endlich einmal klar Schiff gemacht wird, ist fraglich, ich zweifle daran. Schuld sind ja immer die anderen.

Die nackte Wahrheit jedoch ist: Die Thüringer CDU bietet spätestens schon seit der grandios vergeigten Landtagswahl personell wie inhaltlich ein trostloses Bild. Begonnen hat es mit der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten. Gewählt mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD kam es wie es wohl kommen musste. Gottkanzlerin Merkel ordnete per Telefon an, eine absolut korrekt verlaufene demokratische Wahl „rückgängig“ zu machen. Und alle vollzogen die Anordnung aus Südafrika. Die folgende Hetzjagd auf Kemmerich und seine Familie besorgten den Rest.

Und so verhalf ausgerechnet die CDU, die sich stolz die „Partei der deutschen Einheit“ nennt, einem abgewählten Kommunisten und seiner rot-rot-günen Laienspielschar wieder ins Amt. Und die CDU half dabei mit. Niemals gab es einen Parteitagsbeschluss der CDU, Ramelow zu stützen, sie kungeln es einfach hinter verschlossenen Türen aus. Was das dumme Wahlvolk will, spielt keine Rolle.

Niemand weiß heute, warum er oder sie in Thüringen die CDU wählen sollte. Kemmerich ja oder nein. Hans-Georg Maaßen, von Kreisverbänden im Süden als Kandidat nominiert, von der Landesspitze der CDU bekämpft. Und dann die Maskenaffäre und so weiter und so weiter.

Auch die Spitze der CDU in Thüringen versichert nun, man wolle jetzt ganz doll transparent sein und auf die Basis hören. Transparent? Beim Landesparteitag am kommenden Wochenende will die CDU einen neuen Schatzmeister wählen. Auf den Fluren werden Namen geflüstert – aber einen Kandidaten hat Hirte offiziell noch nicht benannt – eine Woche vor der Wahl. Das regelt man in der Freistaat-Union hinter verschlossenen Türen. Und so ist ein Ende des Elends nicht abzuzehen. Alles soll so weitergehen, und nach unten ist noch eine Menge Luft.