Erfurt – So richtig schlecht will im Stadtrat keiner über die demnächst ausscheidenden Dezernenten Karola Pablich (parteilos), Kathrin Hoyer (Grüne) und Tamara Thierbach (Linke) reden. Auf den Rathausfluren spotten manche, das könnte auch mit der Aussicht auf die öffentlich genannten möglichen Nachfolger zusammenhängen, darunter ein ehemaluger Stasi-Spitzel und ein Fraktionschef ohne abgeschlossenes Studium.
Der Hickhack um die zu erwartenden personellen Veränderungen ist aber nur ein Vorgeplänkel, denn im kommenden Jahr findet die Landtagswahl im Freistaat statt, was auch Auswirkungen auf die Erfurter Kommunalpolitik haben könnte. Denn im Stadtrat sitzen gleich eine ganze Reihe Landtagsabgeordnete…jedenfalls jetzt noch.
Der zunehmend glücklose Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD), der 2006 mit Unterstützung von Linken und Grünen ins Amt kam, hat erkennbar an Strahlkraft eingebüßt. Zwar rettete er sich bei der OB-Wahl im Frühjahr dieses Jahres noch einmal über die Ziellinie – aber mit deutlichen Verlusten. Das hing auch mit der hartnäckigen Herausforderin Marion Walsmann von der CDU, ebenfalls Landtagsabgeordnete, zusammen, die einen starke und vor allem bürgernahe Kampagne hinlegte. Über ihre zukünftigen Ambitionen wird viel geredet im politischen Erfurt, aber das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall hat sich die engagierte Politikerin für zukünftige Aufgaben empfohlen.
„Rot-Rot-Grün hat in Erfurt begonnen, es muss hier auch enden“, sagt der Erfurter CDU-Fraktionschef Michael Panse und stimmt seinem Landeschef Mike Mohring damit uneingeschränkt zu. Tatsächlich scheinen sich CDU und SPD in diesen Wochen anzunähern. Die Frühlingsgefühle zwischen beiden Parteien könnten auch den Ausschlag dafür geben, dass die linken Protagonisten, die an Rot-Rot-Grün anbedingt festhalten wollen, jetzt Druck bei der Entschdeidung über neue Dezernenten machen. Das würde die wenig erfolgreiche rot-grüne Kommunalpolitik auf weitere Jahre zementieren.
Aber ist das wirklich noch ein Modell für die Zukunft der Landeshauptstadt? Wenn es um die Zukunft Erfurts geht, ist erstaunlich wenig Innovation zu spüren im Rathaus, was übrigens auch im OB-Wahlkampf immer wieder überdeutlich wurde.
Warum also bei der Neubesetzung der Dezernentenstellen nicht einen Kandidaten von der CDU mit einbeziehen? Weg vom Lagerdenken, alle politischen Kräfte bündeln? Nur zur Erinnerung: alle Umfragen belegen, dass die Mohring-CDU weiter mit Abstand stärkste Kraft in Thüringen ist. Wäre es für die SPD nicht an der Zeit, sich auch in Erfurt erweiterte Optionen zu suchen? Könnte eine Wende im Rathaus nicht einher gehen mit einer Wende im Freistaat insgesamt? Und überhaupt: Kann eine wachsende AfD auf Dauer vom politischen Mitspielen ausgeschlossen bleiben?
Die Politik in Erfurt ist so spannend, wie schon lange nicht mehr…