1

Skandal-Party beim Erfurter Impfzentrum: Wasser predigen und Wein trinken

ERFURT – Auch Wochen danach sorgt eine Party der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Thüringen für Empörung in der Bevölkerung. Zu der Sause anlässlich der Schließung des Erfurter Impfzentrums Ende Oktober hatten sich 700, teils illustre Gäste eingefunden, prominente Thüringer Landespolitiker wie Thüriungens Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke), Oberbürgermeister, Bundeswehrangehörige sowie Mitarbeiter der Impfstellen. Die Kosten für das umstrittene Spektakel liegen bei knapp 200.000 Euro. Special Guest war der Popmusiker Jan Delay. Bei der Party galt die 2G-Regelung.

In Thüringen liegt der Inzidenzwert aktuell bei knapp 400, zum Zeitpunkt der Party bei 250. Man habe mit der Party zeigen wollen, dass Normalität wieder möglich sei, hieß es. Dass hier ausgiebig und bedenkenlos in exklusiver Runde gefeiert wurde, wirkt vor dem Hintergrund der steigenden Zahlen – trotz Impfung und 2G – grotesk und fern der eigentlichen Realität.

Vielmehr noch: In Anbetracht der Tatsache, dass Geimpfte nach wie vor erkranken, übertragen oder gar sterben können, stellt sich die Frage, ob eine solche Party zu rechtfertigen ist. Zudem wird die 2G-Regel in der Bevölkerung vielerorts als gesellschaftsspaltende Maßnahme – also alles andere als normal – wahrgenommen.

Insbesondere für die Kassenärztliche Vereinigung entsteht hieraus ein skandalöses Glaubwürdigkeitsproblem, sagen Kritiker der Veranstaltung. Der verheerende Eindruck:  Hier habe sich  die Haute Couture ausgelassen zusammengefunden, während die Bevölkerung besonders in dieser Zeit, in der bereits von der vierten Welle gesprochen wird, zu Besonnenheit und Verantwortung aufgefordert wird. Wasser predigen und Wein trinken.

Das wirft nicht nur auf die Kassenärztliche Vereinigung, sondern auch auf die Gäste aus Politik und Gesellschaft ein schlechtes Licht. Dabei wurde über die ebenso skandalösen Kosten noch gar nicht gesprochen. Diese wären wohlmöglich besser in Maßnahmen zum sicheren Umgang mit Covid-19 investiert worden, beispielsweise in Testmöglichkeiten, die inzwischen jeder selbst bezahlen muss. Von Normalität kann noch längst keine Rede sein, so sehr man auch versucht, sie zu feiern.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Mike Moring kritisierte die Abschlussfeier des Erfurter Impfzentrums. Auf Twitter bezeichnete er die von der Kassenärztlichen Vereinigung veranstaltete Feier als „instinktlos“ und „Geldverschwendung“.




„Candy Crush“ im Lockdown: Kann dieser Mann Ministerpräsident von Thüringen bleiben?

von KLAUS KELLE

ERFURT – Bodo Ramelow persönlich ist recht beliebt im Freistaat, das kann niemand ernsthaft bezweifeln. Nur so ist ein Wahlergebnis für Die Linke von über 30 Prozent zu erklären. Er ist zivilisiert, sagt man, symapthisch bei seinen Auftritten, er hat die richtige Ballance zwischen politischer Agenda und Volkstümlichkeit. Aber, das wird gern mal vergessen, die Wähler in Thüringen haben ihn und seine lahme rot-rot-grüne Koalition im Herbst 2019 abgewählt. Aus, finito! Dass er jetzt wieder in der Staatskanzlei sitzt ohne eigene Mehrheit, dashat er einem Kuhhandel mit der CDU und der skandalösen Intervention der Bundeskanzlerin zu einer rechtmäßig verlaufenen Wahl zu verdanken.

Ramelow verwaltet also weiter vor sich hin, und er gefällt sich offenbar in der Rolle des Corona-Krisenmanagers. Erst war er der Lockerste der Ministerpräsidenten, jetzt zieht er den Lockdown durch wie kaum ein Zweiter. Da passt überhaupt nicht in die Landschaft, was jetzt bekannt geworden ist. Ausgerechnet in einem Gespräch in der neuen hippen „Clubhouse“-Audio-App, wo Tausende zuhören, erzählte der Linke-Politiker, dass er während der allwöchigen Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin nebenbei gern das Online-Spiel „Candy Crush“ spiele. Noch einmal, weil man es beim ersten Lesen vielleicht gar nicht begreift: In der prominet besetzten Runde, in der jede Woche beschlossen wird, was wir alle tun müssen, um dem Virus entgegenzuwirken, spielt der Ministerpräsident nebenbei ein Onlinespiel. Irre, oder?

Die Bundeskanzlerin bezeichnete er im Talk als „Merkelchen“ und brüstete sich – wie die „Welt am Sonntag“ berichtete – , er schaffe bei dem Spiel  bis zu zehn Level. Toll, oder? So einen Ministerpräsidenten wünscht sich der von Existenzsorgen bedrohte Bürger in der Krise. Da werden Beschlüsse gefasst, die Menschen an den Rand ihrer Existenz treiben, Kontaktverbote zu engen Verwandten festgesetzt, Restaurants, Frisörsalons, Betriebe aller Art in die Insolvenz getrieben – und Thüringens Erster Mann daddelt.

Ramelow selbst hat sich inzwischen entschuldigt: „Eine kluge Frau hat mir auf @clubhouse_de gerade schlüssig den eigentlichen Fauxpas meiner Clubhaus-Plauderei dargelegt und es hat mich überzeugt“, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Und weiter: „Den Namen der Bundeskanzlerin zu verniedlichen, war ein Akt männlicher Ignoranz. Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldigung.“ Da ist er wieder, der charmante Linke. Und während Politiker der Opposition die Frage nach der „Selbstbeherrschung mancher Politiker“ stellen und sogar in der Koalition der Wahlverlierer das Rumoren immer lauter wird, ist nicht einmal auszuschließen, dass viele Bürger das alles mit einem Achselzucken hinnehmen. Weil Herr Ramelow doch so nett ist. Und warum soll ein Ministerpräsident nicht das tun, was viele  andere auch machen? Ganz einfach: Weil er Ministerpräsident ist. Weil er Verantwortung dafür trägt, was mit den Bürgern Thüringens geschieht, besonders denen, die Angst um ihre Zukunft haben.

„Entweder ist es Ausdruck von Arroganz der Macht oder Amtsmüdigkeit“, schrieb Christian Hirte, seit September CDU-Landeschef im Freistaat. Eine berechtigte Frage, wenn man etwa, an vergangenes Jahr zurückdenkt, als der Ministerpräsident dem AfD-Abgeordneten Stefan Möller den Mittelfinger zeigte und ihn einen „widerlichen Drecksack“ nannte. Bürger wünschen sich nicht nur in Krisenzeiten einen Regierungschef, der souverän führt, vor allem aber seine Emotionen zumindest in der Öffentlichkeit beherrscht.
Bodo Ramelow ist im Herbst versetzungsgefährdet, weil Wahltag nun einmal Zahltag ist.