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Jenaer Prof. Peter Hyckel: Es wäre besser gewesen, die alten Leute im Lockdown raus an die Sonne zu lassen

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JENA – Er war schon avesierter Chefarzt mit Vertrag im damaligen Karl-Marx-Stadt, wechselte auf Bitten der Uni Jena  aber nicht.  Er ist Kieferchirurg und Plastischer Chirurg, hat in Jena zur Immunologie des Mundhöhlenkarzinoms habilitiert. Die Ergebnisse aus 1985 entsprechen den Grundlagen der modernen Immunoonkologie und sind auch für Virusinfektionen interessant. Ein Mann, der sein Leben in den Dienst von Medizin und Gesundheit gestellt hat: Prof. em. Dr. Dr. Peter Hyckel aus Jena. Wenn er das hektische Treiben der Politik in der Corona-Krise betrachtet, kann er nur den Kopf schütteln. Wir sprachen mit ihm, wie es hätte anders laufen können mit der Pandemie…

Herr Prof. Hyckel, ist Covid-19 Ihrer Ansicht gar nicht so schlimm, wie man uns weismachen will?

Nein, das kann man so nicht sagen. Wir müssen das Virus ernstnehmen und etwas tun, keine Frage. Man muss wissen, dass es eine Autoimmunerkrankung ist, die medizinisch ganz nah bei Organtransplantationen im Sinne einer Überaktivierung bestimmter Zellen ist. Der Körper bemerkt plötzlich, dass etwas falsch läuft. Die Kraftwerke in den Zellen (Mitochondrien) werden fehlreguliert.

Klingt logisch, aber wie macht man das?

Ein Schlüssel zu allem ist Vitamin D. Das baut der Körper im Sommer durch das Sonnenlicht von selbst auf. Da beginnen die Probleme, denn auch in Thüringen wie im ganzen Bundesgebiet hat man die Alten im Winter weggesperrt in ihren Heimen, hat sie isoliert. Andersherum wäre es vernünftiger gewesen, mit ihnen rauszugehen ins Tageslicht, wie früher bei Tbuberkulose-Patienten, natürlich unter den bekannten Vorsichtsmaßnahmen.  Im kommenden November wird die Situation, genau wie im vorigen Jahr, wieder brenzlig werden. Da ist es wichtig, dass die Leute mit ausreichend Vitamin D versorgt sind.

Was bewirkt Vitamin D genau?

Also erstmal kann der Körper 80 bis 90 Prozent des Bedarfs an Vitamin D selbst produzieren, wenn sich die Menschen jeden Tag in der Sonne aufhalten. Da muss man sich nicht einmal in der Sonne grillen lassen. Es genügt, wenn das Gesicht, Arme und Beine genug Sonnenstrahlen abbekommen.

Vitamin D ist wirklich ganz wichtig, nicht nur bei Covid-19 zur Stärkung der Kraftzellen im Körper, sondern auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zur Stärkung der Muskulatur usw., besonders bei älteren Patienten.

Sie können den Bedarf an Vitamin D natürlich durch die Nahrung beeinflussen, indem sie fettintensive Fischsorten wie Lachs oder Hering essen, Eigelb oder auch manche Speisepilze. Es gibt viele Möglichkeiten. Am effektivsten ist es, Vitamin D als Präparat einzunehmen, wenn eine Unterversorgung vorliegt.

Eine Ausgangssperre der Leute wie im Mittelalter ist nicht zielführend.

Bräuchte man also gar keine Impfung, die uns allen jetzt massiv empfohlen wird?

Das will ich nicht sagen, Impfungen sind sicher sehr sinnvoll, aber der Körper braucht zur Unterstützung des Immunsystems auf jeden Fall Vitamin D. Vitamin D bzw. Antioxydantien sind einfache Möglichkeiten der Prophylaxe und schützen vor schweren Covid-Verläufen. Impfungen sind hoch spezifische Behandlungen.

Also: Vorbeugen ist wichtig, aber jetzt wird geimpft, mehr als die Hälfte der Bundesbürger haben mindestens eine Impfung bekommen, über ein Drittel ist vollständig geimpft. Jetzt wird überall gelockert, die Biergärten sind voll, die Menschen buchen Urlaubsreisen. Ist das Schlimmste nicht überstanden?

Da bin ich vorsichtig mit einer Vorhersage. Die Influenza, die wir ja als saisonale Erscheinung kennen, wird nicht verschwinden. Prof. Wieler  (RKI) hat gesagt, dass je mehr wir impfen, neue Mutationen entstehen werden. Das glaube ich auch.  Ich gehe davon aus, dass sich bei Covid 19 die Immunität etwa sechs Monate nach den Impfungen abschwächt. Dann brauchen die Leute eine Auffrischung. Dabei können sich ein normaler Vitamin D Status und Impfung sogar ergänzen.

Sie sind ein erfahrener Mediziner aus Thüringen. Sind Sie von den politisch Verantwortlichen in der Landesregierung mal konsultiert worden, als die Epidemie begann vor eineinhalb Jahren?

Ich habe auf Grund der Kenntnisse zur Immunoonlologie, die ähnlich, aber entgegengesetzt abläuft, seinerzeit im Frühjahr 2020 eine ausführliche E-mail mit meinen Gedanken zur Lage an das Wissenschaftsministerium in Erfurt geschrieben. Es kam leider keine Reaktion –„Als Emeritus kann der viel erzählen“ soll gesagt worden sein. Nun gut oder schlecht, das ist halt so! Viel wichtiger für mich ist, dass das National Institute for Health and Care Excellence (UK)  12/2020 für bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgerufen hat, Vitamin D zu nehmen. Das RKI hat 1/2021 seine Einstellung zu Vitamin D deutlich positiv verändert.

Wissen Sie, das eigentliche Problem bei dem Ganzen ist doch, dass es bei unserem Gesundheitssystem nicht in erster Linie um das Wohl des einzelnen Patienten geht. Seit der Einführung der DRG, also des pauschalierten Abrechnungsverfahrens, steht der Gewinn durch die geleisteten Maßnahmen im Vordergrund. Kurzfristig hat da die Prophylaxe schlechte Karten.  Langfristig werden die erfolgten Kollateralschäden uns eines Besseren belehren.

Bildquellen

  • Prof._Peter_Hyckel: thueringen.jetzt

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